041 - Der Schwarze Tod
errichten, um das Totenfeld abzugrenzen und dem Karren die Durchfahrt zu verwehren.
„Und dann brauchen wir nur mehr eine Patrouille, die von einem Platz zum anderen geht. So können wir die Anzahl der Männer reduzieren.“
Das wurde getan, und ich nahm die erste Patrouille. So hatte ich von achtzehn Uhr bis zwei Uhr morgens dienstfrei.
Als ich wieder nach Hause kam, erfuhr ich, daß eine Frau an der Pest gestorben war. Nun waren wir nur mehr zweiunddreißig.
Als mich meine Tante zum Apfelzimmer hinaufsteigen sah, bekreuzigte sie sich und sah mir traurig nach. Ich schloß mich ein, mit einer Decke, einem Buch und Zigaretten.
Doch bald kamen mir Zweifel. Der Raum schien jeden Zauber verloren zu haben. Vermutlich würde ich mich nie mehr in der mittelalterlichen Herberge befinden. Wer weiß, was aus der süßen Ninon in diesen achtundvierzig Stunden geworden war? Collin und de Kerguerhen hatten freie Hand, das zu tun, was sie immer schon vorgehabt hatten.
Ich konnte nicht mehr ruhig hier liegen bleiben. Wenn es nur mehr im Hilariusgäßchen eine Tür in die Vergangenheit gab, dann mußte ich es eben dort versuchen.
Um mein Ausgehen zu erklären, sagte ich, daß ich nachsehen wollte, was es Neues gab. Es war Nacht, und ich hatte den Eindruck, als ob es bald schneien würde. Die Temperatur war gestiegen, und der Himmel war bedeckt.
Ich stellte mich in eine Tornische und wartete. Nach einer Weile kam die Patrouille vorbei und kontrollierte das Hilariusgäßchen. Sie blieben einige Minuten lang, und ich hörte sie leise sprechen. Sie hielten die Gewehre schußbereit in den Händen.
Beim Rückweg mußte ich auf der Hut sein. In der Dunkelheit konnten sie mich leicht mit einem Eindringling verwechseln.
Ich wartete, bis sie sich entfernt hatten, um aus meinem Versteck hervorzukommen. Die Männer hatten ein feines Gehör hier, sie waren gute Jäger.
Obwohl ich unbemerkt ins Hilariusgäßchen kam, zögerte ich ein wenig. Irgend jemand konnte die Fußspuren bemerken, die zur Mauer führten und dort aufhörten. Das war ein Beweis, daß jemand hinübergegangen war. Wer konnte vorhersagen, was mich dann bei meiner Rückkehr hier erwartete?
Aber dann entschloß ich mich und befand mich augenblicklich im mittelalterlichen Ort. Die Nacht hier schien noch dunkler zu sein.
Ich ging am niedrigen, strohgedeckten Haus des Magiers vorbei.
Ich erreichte das Haus Jehan de Boffres, ohne den Wachen begegnet zu sein. Ich klopfte, und es dauerte eine Weile, bis hinter der Tür Schritte sich näherten.
„Was wollt Ihr?“
„Seid Ihr es, Jehan? Ich bin es, Simon Lerouge.“
„Was wollt Ihr?“
Dieser Mangel an Herzlichkeit überraschte mich.
„Muß ich es Euch tatsächlich sagen? Seid Ihr nicht mein Freund?“
Er seufzte. „Ich weiß nicht …“
Aber dann öffnete er, um die Tür gleich, nachdem ich eingetreten war, wieder zu schließen. Ich begriff sofort, daß etwas nicht stimmte, denn sein Vater saß am Feuer, sah mich böse an und schüttelte sogar die Faust in meine Richtung.
„Meine Mutter ist am Schwarzen Tod gestorben.“
„Eure Mittel sind verflucht“, rief mir seine Frau zu. „Und durch Eure Schuld werden wir alle sterben.“
Ich versuchte ihnen zu erklären, daß die Wirkung der Spritze nicht sofort einsetzte, und daß Jehans Mutter bereits vorher infiziert war. Jehan gab sich redlich Mühe, um mich zu verstehen.
„Setzt Euch, Freund. Wollt Ihr etwas? Wir haben fast nichts mehr, seit die Brücke geschlossen ist.“
„Ich weiß. Meine Zeitgenossen beschuldigen euch, uns den Schwarzen Tod gebracht zu haben. Und das stimmt auch.“
„Benützt ihr Geschütze, die man in der Hand trägt?“
Ich erklärte ihm das Prinzip der modernen Feuerwaffen so einfach wie möglich, und er sagte: „Dann müssen wir also alle des Hungers sterben.“ Vorwurfsvoll und fast feindselig sah er mich an.
Ich hätte Brot und Lebensmittel mitbringen können, aber ich hatte nicht daran gedacht. Doch nun bereute ich meine Gedankenlosigkeit kaum, denn ich fand ihn so ungerecht, daß ich mich erhob.
„Ich sehe, daß Ihr mich nicht mehr als Freund betrachtet“, sagte ich. „Also gehe ich.“
„Nein, ich bitte Euch, nehmt mir mein Benehmen nicht übel. Ich habe nur Angst um die Meinen, das müßt Ihr begreifen. Weshalb seid Ihr gekommen?“
Ich erzählte ihm kurz, was in der vorhergegangenen Nacht geschehen war, wobei ich eine Reihe von Details ausließ, die ihn nichts angingen.
„Ich weiß nicht, was dort unten vor
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