041 - Der Schwarze Tod
sich geht“, sagte er müde. „Sie weisen alle Gäste ab. Sie leben völlig unabhängig von der Außenwelt denn sie haben große Vorräte an allerlei Nahrungsmitteln. Aber eines Tages wird der Pöbel neidisch werden und die Herberge stürmen.“
„Ich werde hingehen“, sagte ich.
„Aber diesmal könnt Ihr Euch nicht auf Charles de Kerguerhen berufen.“
„Ich bin gekommen, um Euch zu fragen, ob ihr die Örtlichkeit gut kennt.“
„Ja, natürlich. Ich werde des öfteren gerufen, um Geld zu wechseln.“
Er dachte intensiv nach und entschloß sich dann, mich zu begleiten. Aber seine Frau fuhr dazwischen, unterstützt von dem Alten, und warf ihm vor, sein Leben für mich zu riskieren.
Jehan zog mich schnell aus dem Haus.
Wir mußten einen großen Umweg machen, um die Patrouillen zu umgehen, die heute verstärkt worden waren, denn man befürchtete Aufstände der Armen, und die reichen Bürger hatten Freiwillige geworben, die für die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Stadt zu sorgen hatten. Und diese Leute waren wilder und gefährlicher als die normale Wache.
Endlich kamen wir im Garten der Herberge an, der mit einer dichten Schneedecke bedeckt war.
„Wie komme ich hinein?“
„Folgt mir!“
Wir näherten uns einem langgestreckten, niederen Gebäude, aus dem vielfältiges Grunzen drang.
„Der Schweinestall. Aber man hat die Türen vernagelt, damit die Schweine nicht geraubt werden. Ihr müßt versuchen, vom Dach her hineinzukommen.“
Er half mir auf das Dach zu klettern, was schwierig war, den ich glitt mehrmals ab. Oben versuchte ich vergebens, die Dachziegel abzuheben. Sie waren fest verankert und dazu noch vereist. Also hieb ich mit den Schuhabsätzen dagegen.
„Leise, ich bitte Euch!“ flüsterte mein Begleiter.
Ich beugte mich zu ihm hinunter und gab ihm den Rat, nach Hause zu gehen.
„Hört“, sagte er zum Abschied. „Vergeßt mein übles Benehmen von vorhin. Wenn Ihr in Gefahr seid oder mich braucht, kommt an meine Tür zurück und klopft. Ich werde bis Mitternacht wach bleiben und auf Euch warten.“
„Reicht mir, bitte, diesen Prügel dort drüben.“
Mit dem spitzen Ende des Stockes gelang es mir, ein Loch in die Dachziegel zu schlagen. Als es groß genug war, um mich durchzulassen, ließ ich mich in den Schweinestall gleiten. Sofort war ich von gefährlichem Grunzen umgeben und mußte einige kräftige Fußtritte austeilen. Meine genagelten Schuhe leisteten mir dabei gute Dienste.
Von der Tür zu den Ställen führte ein schmaler Gang zur Herberge. Am Ende des Ganges lauschte ich an der Tür, aber ich hörte kein Geräusch dahinter. Ich öffnete die Tür vorsichtig und befand mich in einer Art Keller. Eine Öllampe brannte. Ich sah Weinfässer. Schinken und geräuchertes Fleisch hing von der Decke. Von hier aus kam man wohl direkt in die Küche, und zu dieser Zeit herrschte dort gewiß Hochbetrieb. Ich suchte den Keller ab und fand eine Falltür in einer Ecke, die sich nach oben öffnete.
Ich stieg auf ein kleines Faß und öffnete sie. Das Zimmer, in das ich sah, war klein und offensichtlich das Schlafzimmer der Herbergsbesitzer.
Ich stemmte mich hoch und stieg in das Zimmer. Es war sehr warm in dem Raum. Vermutlich führte der Kamin an einer der Wände vorbei. Auf Zehenspitzen ging ich zur Tür, aber sie war von außen verriegelt.
So saß ich also in dem Zimmer fest. Durch die Ritzen in der Tür versuchte ich zu erkennen, was sich draußen befand. Es war ein Korridor, und am anderen Ende sah ich ein starkes Licht. Der Raum lag also am Aufgang zur Etage.
Ich schloß die Falltür wieder und legte mich unter das Bett, das sehr hoch war, und wartete. Wenn jemand kam und zu Bett ging, konnte ich das Zimmer verlassen, sobald er eingeschlafen war.
Ich dachte, daß nun bald meine Wache begann. Dann würde man mich bei meiner Tante suchen, und sie würde nicht wissen, was sie sagen sollte. Und wenn man unglücklicherweise meine Fußspuren im Hilariusgäßchen gefunden hatte, würden die Schlußfolgerungen von ganz allein kommen. Ich verscheuchte diese Gedanken.
Ich war offenbar einen Moment lang eingeschlafen, denn das Zuschlagen der Tür weckte mich abrupt auf. Ich erkannte den Saum eines langen Kleides und darunter Füße, die in roten Filzpantoffeln steckten. Vermutlich die Wirtin.
Das Licht wurde stärker. Sie kam zum Bett und ließ sich darauf fallen. Zum Glück waren die Beine, auf denen das Bett stand, sehr hoch, so daß mich das beträchtliche Gewicht der
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