041 - Die Tür mit den 7 Schlössern
wenig Menschen, mit denen man lachen konnte, und Unterinspektor Dick Martin - sie nahm seine Visitenkarte auf und las halblaut seinen Namen - war einer jener wenigen, bei deren Anblick es einem warm ums Herz wurde.
3
Es war am späten Nachmittag, als Dick vor der zerbröckelnden Mauer und der in rostigen Scharnieren hängenden Pforte des ›Galgenhofs‹ seinen Wagen zum Halten brachte.
Hinter einer plötzlichen Biegung des unkrautüberwachsenen Fahrweges lag ein unscheinbares Haus vor ihm. Er fand keine Klingel und trommelte fünf Minuten lang an der verwitterten Tür, bis schlürfende Schritte und das Klirren einer zurückgeschobenen Kette hörbar wurden. Die Tür öffnete sich genau zwei Zentimeter.
In dem schmalen Spalt erblickte Dick ein langes gelbes Gesicht, von Runzeln durchfurcht wie ein eingetrockneter Apfel, einen schwarzen Bart, der seinem Besitzer bis zur Magengrube reichte, und ein Paar tückisch blickende, schwarze Augen.
»Doktor Staletti?«
»Das ist mein Name.« Die Stimme war rauh und hatte einen fremden Klang. »Wollen Sie mich sprechen? Das ist ja phänomenal! Ich empfange sonst nämlich keine Besucher!«
Er zögerte einen Moment, dann wandte er den Kopf und sprach mit jemand, der hinter ihm stand, und bei dieser Wendung gab er dem Detektiv den Blick auf einen jungen, rotwangigen, elegant gekleideten Mann frei. Bei Dicks Anblick trat dieser rasch zurück.
»Guten Morgen, Tommy«, begrüßte Dick Martin ihn höflich. »Das ist ein unerwartetes Vergnügen.«
Tommy Cawler bot in der Tat einen vergnüglichen Anblick. Sein Hemd war tadellos, sein Anzug das künstlerische Produkt eines erstrangigen Schneiders.
»Guten Morgen, Mr. Martin.« Tommy ließ sich nicht so leicht aus der Fassung bringen. »Ich bin zufällig hier, um meinem alten Freund Staletti guten Tag zu sagen.«
Dick blickte ihn bewundernd an.
»Donnerwetter! Sie haben sich 'rausgemacht! Was treiben Sie denn jetzt?«
Tommy schlug resigniert die Augen nieder.
»Haben Sie keine Sorge, ich fresse nichts mehr aus. Ich habe einen Beruf ergriffen, der seinen Mann ernährt! Also, auf Wiedersehen, Staletti!«
Er schüttelte dem bärtigen Mann mit übertriebener Herzlichkeit die Hand und schickte sich an, die Stufen hinabzugehen.
»Halt, Tommy. Können Sie einen Augenblick auf mich warten? Ich möchte ein paar Worte mit Ihnen reden!«
Tommy Cawler zögerte und warf einen flüchtigen, sich vergewissernden Blick auf das bärtige Gesicht Doktor Stalettis.
»Na, schön«, brummte er ungnädig. »Aber viel Zeit hab' ich nicht. Nochmals besten Dank für die Medizin, Doktor.«
Allein Dick durchschaute das Manöver sofort, und seine Lippen verzogen sich spöttisch. Er folgte Staletti in die Halle. Weiter lud ihn der seltsame Mann nicht ein.
»Sie sind von der Polizei, nicht wahr?« fragte er, noch bevor Dick ihm seinen Ausweis gezeigt hatte. »Das ist phänomenal! Ich hatte schon lange Zeit nicht mehr die Ehre. Und alles wegen eines kleinen Hundes, mit dem man im Interesse der Wissenschaft experimentiert! So viel Aufhebens um ein unvernünftiges Tier! Und was wollen Sie jetzt von mir?«
Dick beeilte sich, die Ursache seines Besuches in wenigen Worten auseinanderzusetzen. Zu seinem Erstaunen gab Staletti die Entwendung des Buches unumwunden zu.
»Das Buch lag auf dem Tisch. Es interessierte mich, darum nahm ich es mit!«
»Aber Herr Doktor«, wandte Dick, verblüfft über so viel Kaltschnäuzigkeit, ein. »Sie dürfen doch nicht so ohne weiteres mit einem Buch auf und davon gehen, nur weil es Sie interessiert!«
»Aber warum denn nicht? Es war eine öffentliche Bibliothek, deren einziger Zweck es ist, Bücher auszuleihen. Ich wollte das Buch ausleihen, also nahm ich es mit. Ich habe es nicht heimlich getan. Ich habe das Buch ganz offen unter meinen Arm geklemmt, vor der jungen Signorina den Hut gelüftet und bin gegangen. Ich habe es ausgelesen, und es kann an seinen Platz zurückgehen. Haeckel ist ein Narr. Seine Schlüsse sind absurd, aber seine Theorien sind phänomenal! Ihnen würden sie wahrscheinlich sehr langweilig vorkommen, aber mir ...« Er brach ab, zuckte die Achseln und gab einen krächzenden Laut von sich, der bei ihm wahrscheinlich ein Lachen sein sollte. Allerdings mußte man das mehr erraten.
Der Detektiv hielt einen kleinen belehrenden Vortrag über die Lesevorschriften der Bibliotheken. Dann schob er das Buch unter den Arm und ging hinaus, um sich dem wartenden Tommy Cawler anzuschließen. Er hatte jetzt einen
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