0410 - Alptraum-Labyrinth
wenn sie zerstört werden. Eigentlich hätte von diesem Zimmer nicht viel übrigbleiben dürfen. Ich habe einmal erlebt, wie so ein Sternenstein zerstört wurde.«
»Nun, jetzt hast du es zum zweiten Mal erlebt«, sagte Gryf, der sich von Teri verarzten ließ. »Du – was ist denn mit Zamorra los?«
Erschrocken blickte Nicole auf.
Zamorras Körper hatte sich verändert.
Nach wie vor lag er regungslos auf dem Bett. Aber er schien irgendwie an Substanz verloren zu haben. Er war durchsichtiger geworden. Dunkle Schatten zeichneten sich auf seiner Haut ab. Röntgenbildähnliche Knochenzeichnungen? Etwas pulsierte – sein Herz, durch Haut, Fleisch und Rippen sichtbar geworden?
Nicole erschauerte.
»Was geht hier nur vor?« flüsterte sie. »Es ist doch unmöglich. Das Zimmer ist abgeschirmt. Es kann überhaupt keine dämonische Kraft mehr wirken.«
»Träum nur weiter«, sagte Gryf rauh. »Ich glaube, daß da eine Art Analogzauber am Werk ist.«
»Was bedeutet das?« fragte Nicole.
»Zamorras Ich ist auf irgendeine Weise aus seinem Körper gelöst und fortgebracht worden«, spekulierte der Druide. »Dort muß ihm etwas zugestoßen sein. Sein hiesiger Körper reagiert identisch. Beide Zamorra-Anteile sind miteinander verbunden. Das erklärt die seltsamen Verletzungen, und es erklärt sein Durchsichtigwerden.«
»Aber es erklärt nicht die Zerstörung des Kristalls!« ereiferte sich Nicole.
»Nein«, gestand Gryf. »Und leider erfolgte diese Zerstörung, ehe wir etwas unternehmen konnten. Wir stehen also genauso dumm da wie vorher.«
»Das darf doch alles nicht wahr sein!« Nicole ballte die Fäuste. »Können wir denn überhaupt nichts tun? Wir können Zamorra doch nicht einfach hier vor sich hin sterben lassen!«
Gryf wechselte einen langen Blick mit Teri Rheken.
»Nein«, sagte er dann gedehnt. »Nein, das können wir nicht. Ich bin dafür, daß wir jetzt stärkere Geschütze auffahren.«
»Was hast du vor?«
»Wart’s ab. Ich bin gleich wieder da«, sagte er und verschwand im zeitlosen Sprung.
***
Du mußt töten. Fünfmal. Tötest du nicht, wirst du jedesmal ein Fünftel deines Lebens verlieren – selbst wenn du deinen Gegner mit einem Trick besiegst, aber sein Leben schonst. Und für jeden der fünf Gegner, den du nicht im Kampf tötest, wird einer dieser Gegenstände vernichtet…
Das waren die Regeln, die die dämonische Stimme aufgestellt hatte.
Zamorra glaubte sie wieder deutlich zu hören. Und allmählich begann er zu begreifen, wie gefährlich seine Lage tatsächlich war. Sein Schwächeanfall… bedeutete er, daß er soeben ein Fünftel seiner Lebensenergie verloren hatte?
So mußte es sein!
Die Stimme hatte also nicht gelogen…
Aber dann würde sie wohl auch in dem anderen Punkt die Wahrheit gesagt haben. Dann war jetzt eine der magischen Waffen zerstört worden!
Aber welche?
Eine eiskalte Hand wollte ihm das Herz zusammendrücken, als er daran dachte, daß es das Amulett gewesen sein könnte. Nicht das Amulett! Lieber eine der anderen Waffen…
Er schluckte. Nur mühsam raffte er sich wieder auf. Er mußte weiter, durfte hier nicht bleiben. Er konnte nicht sagen, wie weit er schon vorgedrungen war und ob ihm die Säure nicht schon wieder dicht auf den Fersen war…
Eine dumpfe Verzweiflung breitete sich in ihm aus. Es gab anscheinend tatsächlich keine andere Möglichkeit, als sich jedem Gegner zum Kampf zu stellen. Er konnte diesen Kämpfen nicht ausweichen, wie er irgendwie erhofft hatte. Er wollte nicht zum Töten gezwungen werden. Es gehörte zwar zu seiner Profession, Dämonen zu töten – sie verkörperten das Böse, und sie waren in keiner Weise menschlich – aber er wollte sich nicht zwingen lassen.
Aber es gab keinen anderen Ausweg mehr…
Und irgendwie mußte er es schaffen, die drei Dämonen, die noch auf ihn warteten, zu vernichten.
Vielleicht starb er dabei aber auch selbst.
Zu einem Fünftel war er ja schon tot…
***
Plötzlich war Gryf wieder da. Aber er war nicht allein gekommen. Eine hagere Gestalt begleitete ihn, ein düsterer Mann mit scharfkantigen Zügen, dessen Bewegungen genau abgemessen waren; keine Geste zu viel, keine zu wenig. Der Mann, dessen Alter unbestimmbar war, trug einen flachen Diplomatenkoffer in der Hand, den er auf dem Tisch absetzte.
»Langsam füllt sich das Zimmer«, bemerkte Teri Rheken. »Hoffentlich kostet es daraufhin nicht auch das Vielfache…«
Sie betrachtete den Neuankömmling mit sichtlichem Widerwillen. Kein Wunder
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