0412 - Ein Grab aus der Vergangenheit
er schlug noch um sich, aber er schaffte es nicht, den Abbé zu treffen, denn seine Pranken hackten den weichen Untergrund auf.
Der Abbé wälzte sich zur Seite, drehte sich um und erkannte mich.
Ich nickte ihm zu. Es war zwar fast dunkel, trotzdem sah ich die Erleichterung auf seinem Gesicht. Er wollte etwas sagen, diesmal jedoch war ich an der Reihe und kam ihm zuvor. »Das ist meine Art, mich zu verabschieden, Abbé Bloch«, sagte ich.
»Du hast mir das Leben gerettet.« Er stand auf. Ich sah ihn zum ersten Mal konsterniert.
»Manchmal gehört das eben dazu, wenn man verbündet sein will.« Mit diesen Worten verabschiedete ich mich von ihm. Von der Insel wollte ich noch nicht weg, sondern ging dorthin, wo der große Kampf stattgefunden hatte.
Die Templer hatten die Werwölfe oder deren Reste auf die Lichtung vor dem Grab gelegt.
Ich zählte rasch nach.
Leider kam ich nur auf die Zahl elf. Wie ich es mir gedachthatte, Manon Medoque fehlte. Ich nahm kaum an, dass die Templer noch Interesse an ihr zeigten, denn sie beschäftigten sich bereits mit für sie wichtigeren Dingen.
Die Templer bargen das Skelett!
Sehr behutsam gingen sie mit der silbernen Gestalt um, als sie das Skelett aus der Grube holten. Abbé Bloch hatte sich inzwischen zu ihnen gesellt und gab Anweisungen.
Ich aber zog mich zurück. Mochte die Aufgabe der Templer erledigt sein, meine war es nicht.
Ich wollte Manon Medoque!
Und ich rechnete mir aus, wo ich sie finden würde.
Dort, wo alles begonnen hatte, sollte es auch sein Ende finden. In ihrem Schloss!
***
Da ich keinen Wagen zur Verfügung hatte, musste ich mich zu Fuß auf den Weg machen. Wir waren mit dem Kahn am Schloss vorbeigefahren, also schritt ich am Ufer den Weg zurück.
Meine Sinne waren sehr gespannt. Es konnte sein, dass die Wölfin der Blendung entgangen war und jetzt irgendwo in der Finsternis lauerte.
Meine Vorsicht war umsonst. Niemand griff mich an, meine einzigen Begleiter waren das Rauschen der Loire und das manchmal leise Säuseln des Windes. Ich dachte an Nadine, die mich hatte warnen wollen, weil sie spürte, dass Lupina den Kreislauf durchbrechen würde. Das alles konnte ich nun vergessen. Ich hatte es überstanden.
Etwas mehr als eine halbe Stunde war ich unterwegs, als ich das Schlossgelände erreichte.
Noch immer warfen im Park die einsam stehenden Laternen ihr Licht auf die Skulpturen, die Teiche und den sehr gepflegten Rasen der Anlage.
In dieser von Dunkelheit überdeckten Weite des Parks kam ich mir ziemlich verloren vor und wirkte noch kleiner, als die gewaltigen Ausmaße des Schlosses vor mir erschienen.
Das Gebäude wirkte düster, wie von einem Todesschatten umweht. Tatsächlich hatte hier ein guter Mann sein Leben lassen müssen. Seine Leiche lag noch oben auf der Galerie.
Ich beschleunigte meine Schritte, da mir ein Gefühl sagte, dass die Wölfin in der Nähe lauern musste. Nahe des Eingangs wurde ich sehr vorsichtig. Sie war nicht ganz geschlossen. Aus dem Spalt drang ein schenkeldicker Lichtbalken ins Freie, den ich durchquerte und die Tür dann weiter aufzog.
»Wer immer du bist, Mann, komm rein und befreie mich von dieser verdammten Fessel!«
Die Stimme kam mir bekannt vor. Wenig später schaute ich, noch an der Tür stehend, Jean an.
Er sah mich ebenfalls. Über sein Gesicht flog ein verzerrtes Grinsen. »Verdammt, ausgerechnet du. Hau ab, Schnüffler! Mach, dass du wegkommst! Ich will…«
»Du willst mir jetzt Fragen beantworten!«
Er lachte mich schallend an. »Ich denke nicht daran.«
Meine Blicke waren durch die Halle geglitten. Außer ihm und mir befand sich keine weitere Person im Raum. Wenn sich Manon tatsächlich hierher zurückgezogen hatte, hielt sie sich bestimmt versteckt.
Ich schob einen Stuhl nahe an Jean heran und setzte mich. Er saß am Boden. Sein Nacken war angeschwollen. Fast körperlich spürte ich den Hass, der mir von ihm aus entgegenstrahlte.
»Okay, Jean, du hast verloren!« begann ich das Gespräch. »Ihr habt alle verloren.« Ich zählte anschließend auf, wer alles vernichtet worden war, und der Franzose presste hart seine Lippen zusammen.
»Bis auf Manon, die ich mir jetzt holen werde. Ich will von dir wissen, wo sie sich aufhält!«
»Auch wenn ich es wüsste, glaubst du wirklich, dass ich das sage?«
»Sie ist hier. Draußen vor der Tür habe ich ihre Spuren gesehen.«
Es war ein Bluff. Ich hoffte, dass er ihn schluckte.
»Na und?«
»Also doch.«
»Nein, Bulle!« Er bewegte sich zu heftig
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