0414 - Ein Goldfisch unter Großstadt-Haien
ich bin jetzt völlig hilflos. Ich habe mich bis jetzt versteckt. Aber nun weiß ich nicht, wie ich hier ’rauskommen soll.«
»Wo sind Sie?«
»In einem Haus in der Lots Avenue. Der Besitzer ist ein alter Mann und kennt mich seit langem. Er hat mich versteckt. Aber erf'kann mich nichtgefgen die Jungs beschützen. Und wenn Johnny Star erst hier auf taucht, bin ich geliefert.«
»Kennt sonst jemand Ihr Versteck?«
»Ich glaube nicht.«
»Die genaue Adresse?«
»Lots Ave, Nummer 412.«
»Bleiben Sie, wo Sie sind, Miß Rochelle. Ich sorge dafür, daß Sie unter Polizeischutz gestellt werden.«
Ich trennte die Verbindung, wählte die Nummer des FBI, verlangte Phil und bekam meinen Freund, der inzwischen ins Office zurückgekommen war, an die Strippe. Rasch informierte ich ihn über Flora Rochelle. »Ich weiß«, sagte Phil, »ich habe dem Girl deinen Namen gegeben, als sie den G-man sprechen wollte, der letzte Nacht in der Lots Ave war. Ich wollte natürlich auch wissen, was anliegt. Aber das Girl hat offenbar nur zu dir Vertrauen. Jedenfalls ließ sie sich nicht dazu bewegen, mir etwas zu sagen. Daraufhin nannte ich ihr May Hunters Nummer.«
»Halt dich bereit, Alter. Ich hole dich im Büro ab. Aber wir nehmen nicht den Jaguar. Das ist für die Lots Ave zu auffällig. Mach den grauen Ford startklar, den wir vorgestern bekommen haben.«
»Okay«, sagte Phil. Dann klickte es in der Leitung.
***
Er war so fett, daß er auf dem Beifahrersitz kaum Platz hatte. Zwischen den Wulstlippen hing ein kurzer schwarzer Zigarrenstummel. Das aufgedunsene, bleiche Gesicht hatte nicht mehr Kontur als ein Klumpen Teig. Aber wer in die blaßblauen Froschaugen blickte, ahnte, wie gefährlich der Fette war. Er hieß Rod Haskin. Unter dem weitgeschnittenen Jackett trug er eine Schulterhalfter mit einem Colt Magnum.
Hinter dem Lenkrad des blauen Buick hockte Chuck Fletcher, ein Doppelmörder mit Glatze, schwarzbehaarten Unterarmen, kleinen bösen Augen und gewaltigem Unterkiefer. Zwischen seinen schwarzen Bartstoppeln hingen Schweißperlen. Das Fahren strengte ihn offenbar an. Er saß geduckt, hielt den Blick starr auf die Straße gerichtet, fuhr langsam, vermied jedes Überholmanöver und klammerte beide Fäuste um das mit einer Stoffhülle bespannte Lenkrad.
»Du übertreibst ein bißchen«, sagte Haskin mit dünner Kinderstimme. Er war beunruhigt über die Nervosität seines Komplicen. »Als ich sagte, daß du vorsichtig fahren sollst, habe ich nicht an dieses müde Schleichen gedacht.«
»Besser ist besser«, knurrte Fletcher. »Wenn wir einer Verkehrsstreife auffallen, ist‘s Sense. Dieser G-man hat dich gesehen und auch mich, als ich Morgan die Kugeln verpaßte. Mensch, hätte ich da schon gewußt, daß der Dunkle ein G-man ist… Ich hätte ihn sofort erledigt.«
»Hätte… hätte… Du hast aber nicht, und jetzt müssen wir uns damit abfinden, däß man unsere Gesichter kennt. Aber das ist nicht mal das Schlimmste. Hättest du nicht den falschen Schlüssel gebracht, wären wir jetzt schon reich. Wir könnten längst auf dem Weg nach Mexiko sein — oder sonstwohin.«
»Wie oft soll ich dir noch sagen, daß Morgan nur diesen einen Schlüssel bei sich hatte.«
»Das glaube ich eben nicht. Du hast nicht richtig gesucht. Wahrscheinlich die Nerven verloren. Wirst langsam alt.«
»Ich bin einundfünfzig.«
Der Fette antwortete nicht. Seine kurzen weißlichen Finger spielten mit dem Zigarrenstummel. Hunderttausend Dollar, dachte Haskin, beinahe hätten wir das Geld schon gehabt. Das Glück war auf unserer Seite. Der Zufall half unä. Und dann… Haskin ließ vor seinem geistigen Auge noch einmal die Szene abrollen, die sich gestern um die Mittagszeit abgespielt hatte. Es war so einfach gewesen.
Fletcher hatte Morgans Stammlokal, eine kleine Snack-Bar in der 18. Straße, betreten', den Keeper überwältigt, sich selbst hinter die Theke gestellt, die Waffe griffbereit gehabt, auf Morgan gewartet. Die Falle war perfekt gewesen. Er, Haskin, war inzwischen auf Morgans. Spuren gewesen, hatte sich darauf gefreut, den verhaßten ehemaligen Komplicen sterben zu sehen. Haskin hatte seine Rache genießen wollen, war Morgan überall hin gefolgt und dabei auf eine großartige Gelegenheit zum Geldverdienen gestoßen. Haskin erinnerte sich genau. Lester Morgan war zu seiner Bank gegangen. Haskin hatte ihn bis in die Schalterhalle verfolgt, hatte gesehen, daß Morgan sein gesamtes Vermögen — hunderttausend Dollar — abhob, in eine
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