0417 - Die Straße der Gräber
Leibesfülle der Rundung des Fasses gleichkam. Der Wirt hörte zu, schüttelte unwillig den Kopf und schrie die Frau so laut an, daß einige Gäste an den aus rohem Holz zusammengezimmerten Tischen aufmerksam wurden. Sie riefen etwas rüber, der Wirt gab ihnen eine Erklärung, die anderen winkten danach lachend ab. Die Frau mußte wieder bedienen.
Ich verhielt mich so, wie man es von einem Fremden erwarten konnte, obwohl ich nicht gesehen werden konnte. Plätze waren kaum frei, ich wollte mich auch nicht setzen, sondern die sieben Personen suchen, auf die es mir ankam.
Wer waren sie?
Waren Inez oder Hilde in ihrem vorherigen Leben vielleicht Kellnerin gewesen? Oder eine andere Person, die in einem der Häuser lebte? Und als was hatte Mark Tremper, der Stuntman, einmal gelebt?
Fragen, auf die ich noch keine Antwort hatte, so daß ich weitersuchen mußte.
Ich spürte jedoch, daß etwas in der Luft lag. Die Gäste benahmen sich hektisch, hin und wieder verließ einer der Soldaten die Schenke und lief nach draußen. Wenn sie zurückkehrten, wurden sie von den anderen etwas gefragt, erhielten aber keine Antwort.
Mir war klar, daß die Soldaten auf ein bestimmtes Ereignis warteten, das noch in dieser Nacht eintreten sollte. Möglicherweise hing es mit den sieben Menschen zusammen, die ich in meiner Zeit kennengelernt hatte, vielleicht zeigten sie sich noch.
Leider hörte ich von den Gesprächen nichts. Hin und wieder hätte ich bestimmt ein Wort oder einen Satzfetzen verstanden. Auch schien es mir, als würde ich durch eine mit dünner Watte gefüllte Luft gehen. Ein unsichtbarer Geist, den niemand sah.
Die Kellnerin hatte beide Hände voll zu tun. Sie schleppte den Wein an die Tische. Dort wurden die Krüge so schnell geleert, daß die Frau kaum nachkam.
Der Wirt füllte nur ein. Der Rebensaft sprudelte ohne Unterlaß aus dem großen Faß, das auch schon fast leer war. Aus dem Keller tauchte ein Helfer auf, der so aussah wie jemand, der sich seit drei Monaten nicht gewaschen hatte, und in Lumpen gekleidet war.
Dieser Mann wurde beauftragt, ein neues Faß zu holen.
Er verschwand mit dem leeren, das er über eine Schräge in die Tiefe rollte.
Wie er das neue Faß heranschaffte, bekam ich nicht mehr mit, denn plötzlich sprangen die meisten der Soldaten auf. Wenigstens die, die noch nicht ganz betrunken waren.
In der offenen Tür stand ein Mann. Er redete schnell und gebrauchte dabei seine Hände und Füße. Dann deutete er nach links, zum Ende des Dorfes hin.
Jeder hatte es plötzlich eilig.
Der Wirt war sauer, weil ihm noch Geld in der Kasse fehlte.
Er lief hinter den Soldaten her, ohne allerdings die Summen kassieren zu können.
Auch ich verließ die Schenke. Um das Gedränge brauchte ich mich nicht zu kümmern. Mich stieß und rempelte niemand an, so daß ich zu den ersten gehörte, die ins Freie gelangten. Alle starrten in dieselbe Richtung, auch ich. Im ersten Moment sah ich nichts, bis ich, noch jenseits des Dorfes, den sich drehenden und bewegenden Feuerschein entdeckte, der sich dem Ort näherte.
Es sah aus wie ein Rad, das jemand angezündet hatte und trotzdem noch weiterlief.
Ich rannte auf die andere Seite der schlammigen Straße.
Nur eine kleine Gruppe der Dorfbewohner hatte sich hier zusammengedrängt. Unter ihnen auch der Pfarrer. Und der schlug mehrere Kreuzzeichen hintereinander.
Mutig schien der Mann nicht zu sein. Er sah eher aus wie der dicke Mönch, den man oft auf Karikatur-Karten sieht und der den holden Genüssen des Lebens nicht abgeneigt ist.
Das Rad rollte zwar allein, aber es mußte geführt werden. Diese Aufgabe hatten Gestalten übernommen, die hinter dem Flammenrad herritten. Die neben mir stehenden Menschen mußten sie schon erkannt haben, denn sie bekamen es mit der Angst zu tun und zogen sich hastig zurück.
Das war auch gut so, denn die vier Begleiter des feurigen Rades waren nun mal da, um das Grauen zu verbreiten.
Auf ihren Brustkörben leuchteten rot die Anfangsbuchstaben ihrer Meister-Dämonen.
AEBA.
Mit anderen Worten: Die Horror-Reiter waren da!
***
Und ich blickte ihnen entgegen.
Diese vier Reiter waren keine Menschen. Sie zählten zur Gruppe der gefährlichen Dämonen, und ich wußte nicht, ob sie so reagieren würden, wie es die Menschen getan hatten.
Wahrscheinlich würden sie von mir Notiz nehmen, denn ich war der Mann mit dem Kreuz, mit einer Waffe, die den vier Reitern gefährlich werden konnte.
Sie würden spüren, daß etwas nicht stimmte, und
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