0418 - Die Waldhexe
seine Nähe, seine Ausstrahlung.
Aber es durfte nicht sein.
Er suchte nach ihr, mit all seinen Mitteln!
Er schien gar nicht weit entfernt zu sein, hatte ihre Spur anscheinend schneller gefunden, als sie gedacht hatte. Wenn er weit fort war, war es Manâos, wo er sich befand. Vielleicht war er sogar längst viel näher.
Sie wußte es nicht, wagte nicht die Distanz auszuloten. Im Gegenteil, sie mußte sich abschirmen.
Ihre Gedanken konnte ohnehin niemand gegen ihren Willen lesen, weil sich eine hypnotische Sperre in ihr befand, die das verhinderte. Aber ihre Ausstrahlung, ihre Aura, konnte festgestellt werden, und das wollte sie vermeiden. Sie blockte sich völlig ab, sorgte dafür, daß ihre Ausstrahlung den Körper nicht mehr verlassen konnte.
Damit war sie praktisch unsichtbar geworden…
Entschlossen setzte sie ihren Weg fort. Der Geländewagen zog eine lange, rote Staubfahne durch die Nacht hinter sich her…
***
»Staub«, murmelte der Mann. Er ließ ihn zwischen seinen Fingern hindurchrieseln. »Staub… und Verwesungsgestank…«
Er konnte ihn immer noch riechen. Dabei waren viele Stunden seit dem Tod des Hernando Zoro vergangen.
Der Blonde hatte, als er in der Bodega die aufgeregten Männer davon reden hörte, alles für Übertreibung gehalten. Er hatte sich auch nicht lange hier aufhalten wollen, wo es ihm nicht gefiel. Daß er Vasco Valdez den Brief der Hexe Silvana überbringen mußte, reichte ihm.
Zoro konnte an allem möglichen gestorben sein. An Herzversagen, was bei Geschäftemachern seiner Art in den letzten Jahren immer häufiger vorkam, oder an einem Messer, einer schnellen Kugel oder Gift. Mit Sicherheit hatte er sich eine Menge Feinde geschaffen, auch wenn er nach außen hin als der große Gönner und Helfer der Siedler auftrat.
Jetzt aber wußte der Blonde, daß es anders war. Der Wolf hatte recht. Ein Mensch, der starb, zerfiel nicht einfach zu Staub.
Hier aber lag Staub zwischen der Kleidung, die man einfach im Jeep gelassen hatte. Man hatte das Fahrzeug von der Bodega fort zum kleinen Polizeiposten geschoben, wo es jetzt im Hinterhof stand. Nichts war verändert worden.
Nun? erkundigte sich der Wolf. Was sagst du jetzt? Ist das Hexen werk oder nicht?
Der Blonde preßte die Lippen zusammen. »Silvanas Werk, meinst du?«
Ja!
Der Blonde zuckte mit den Schultern. Er sah zum verhangenen Himmel hinauf. »Vielleicht ist noch jemand auf den Plan getreten. Wer beweist dir, daß Silvana es getan hat?«
Es ist sonst niemand hier, versicherte der Wolf. Außerdem hat es einen weiteren Toten gegeben. Den Wirt. Er wollte über Silvana reden.
»Woher weißt du das?« fragte der Mann. Er zwang sich mühsam zur Ruhe.
Ich war dabei. Ich hörte mit. Aber dergleichen erfährt man nicht, wenn man brav im Versteck bleibt, bloß weil es in Brasilien keine Wölfe gibt… choroschow, er hat mich gesehen, aber nur ganz kurz.
»Der Wirt…«, murmelte der Mann. »Er ist tot, sagtest du?«
Zu Staub zerfallen. Das gab Valdez den Rest.
»Aber woher kennt der Wirt Silvana? Was glaubt er überhaupt von ihr zu wissen?«
Wer kennt hier den Namen Silvana nicht? Sie kennen und fürchten sie, aber niemand weiß, wie sie aussieht, weil sie jeden tötet, der sie sieht.
»Bloß uns nicht, wie? Oder sind wir mit Blindheit geschlagen?« Der Blonde schüttelte den Kopf. »Ich glaube es noch immer nicht. Warum sollte sie morden? Gut, sie will ihren Wald retten. Aber…«
Du unterschätzt sie immer noch, warnte der Wolf. Vielleicht solltest du sie selbst fragen. Nimm sie in die Mangel. Quetsche sie aus wie eine Zitrone. Dann wird sie gestehen.
»Natürlich«, sagte der Mann. »Ich werde sie in den Folterkeller sperren, auf die Streckbank legen und mit glühenden Zangen bearbeiten, wie? Vorstellungen hast du blöder Köter…«
Faßt du sie deshalb mit Samthandschuhen an, weil sie eine Hexe ist und du zu viele Hexen sterben sähest? Am Galgen und auf dem Scheiterhaufen, aber immer nach gräßlichen Foltern?
Der Blonde preßte die Lippen zusammen. »Du wirst unsachlich«, murrte er. Dabei wußte er, daß der Wolf recht hatte. Er hatte damals zu viel gesehen, und vielleicht rührte es daher, daß er in Silvana nicht die böse Mörderin sehen konnte…
»Ich werde sie fragen«, sagte er. »Dann wird sich herausstellen, ob sie etwas mit den Toten zu tun hat, die zu Staub zerfallen. Mich wird sie nicht belügen.«
Der Wolf zog die Lefzen hoch. Es sah aus, als grinse er. Du wirst dich wundern, prophezeite er.
Der
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