0418 - Die Waldhexe
Zwischen diesen Wohnsitzen und ihrer Waldhütte pendelte sie hin und her, in welcher sie Leben tankte.
Viele Menschen kannten sie.
Aber keiner von ihnen kannte die Hexe Silvana.
Sie wußten zwar, daß es Silvana gab und ihren Wald, in dem sie lebte. Doch nie hatte jemand Silvana wirklich gesehen… sie war eine Legende, ein Mythos.
Keiner ahnte, daß sie es war, wenn er mit ihr sprach…
Nur Garifo und der Wolf.
Aber selbst wenn Garifo sich gegen sie stellte, würde er ihr Geheimnis nicht verraten. Das hatte er versprochen, dieser blonde Mann mit den faszinierenden Augen in einer Farbe, wie die Hexe sie noch bei keinem Menschen gesehen hatte.
Sie sah am Ortsrand einen klapperigen, alten Geländewagen stehen. Das Fahrzeug war fremd. Es gehörte nicht hierher. Sie spürte es, als sie die Hand auf das Metall legte. Der Wagen kam von sehr weit her. Leere und volle Benzinkanister waren da und eine kleine Reisetasche mit Kleidung. Silvana spürte es, ohne einen Blick in den Wagen zu werfen. Sie schloß die Augen und versuchte die Strecke zurückzuverfolgen, wie sie es immer tat, wenn etwas Fremdes kam.
Der Wagen kam aus Manâos.
Aber den Fahrer konnte sie nicht feststellen. Es war ihr, als sei der Wagen ohne Fahrer hierher gekommen. Aber das konnte nicht sein.
Bäume wuchsen von selbst. Aber Autos fuhren nicht von allein. Wer auch immer diesen Wagen hierher gebracht hatte, mußte ein außergewöhnlicher Mensch sein. Jemand, der seine Aura verbergen konnte.
Diesen Menschen mußte sie kennenlernen.
Aber ganz vorsichtig, um sich nicht selbst zu verraten als das, was sie war…
***
Vasco Valdez erwachte desorientiert.
Kopfschmerzen peinigten ihn. Mühsam gelang es ihm, seine Übelkeit zu bezwingen. Daß er totenblaß war, nahm er trotz eines Blickes in den Spiegel nicht wahr, aber er fühlte sich hundeelend.
Das kam vom Alkohol.
Was und wieviel er gestern abend getrunken hatte, wußte er nicht mehr. Aber die dumpfe Ahnung stieg in ihm auf, daß etwas Furchtbares geschehen war.
Wo befand er sich überhaupt?
Ein kleines, schlicht eingerichtetes Gästezimmer. Ein Bett, ein Schrank, ein Stuhl, ein kleiner Tisch und darauf eine Schüssel mit Wasser. An der Wand ein Heiligenbild und der Spiegel, in dem Valdez einen Mann gesehen hatte, der seiner Überzeugung nach nur wenig Ähnlichkeit mit ihm hatte.
Ein Gästezimmer… die Bodega, Obergeschoß direkt unter dem flachen Dach… Bastiano, der Wirt, war tot!
Plötzlich fiel es ihm Schlag auf Schlag wieder ein. Hernandos Tod, der blonde Fremde, der warnende Brief der Hexe Silvana… Bastiano, der ebenso starb wie Hernando Zoro…
Und Lopez, der Dorfpolizist…
Verdammt! Eine Hexe! Bastiano hatte etwas über sie erzählen wollen und war deshalb gestorben. Das war ungeheuerlich.
Valdez tauchte den Kopf in die Wasserschüssel. Danach fühlte er sich nur wenig wohler. Er verließ das Zimmer und polterte die Treppe hinunter. Die Schänke war natürlich leer. Der Raum war unaufgeräumt. Kalter Rauch und der Gestank eingetrockneter Bierpfützen verstärkte die Übelkeit in Valdez wieder. Er suchte nach Mineralwasser, fand eine Dose und riß sie auf. Hastig trank er und löschte seinen Nachdurst wenigstens teilweise.
Die Tür, nicht abgeschlossen, wurde geöffnet. Valdez sah auf, bemerkte eine Frau, die er noch nie hier gesehen hatte, und wandte sich gleich wieder desinteressiert ab. Er fand weiteres Wasser, trank und wurde erst wieder auf die Frau aufmerksam, als sie direkt vor der Theke stand und ihm einen guten Morgen wünschte.
Er riß die Augen auf und versuchte sich zu erinnern, wann diese Frau hereingekommen war. Ach ja - vorhin, als er die erste Dose absetzte.
»Sind Sie der Wirt, Senhor?« erkundigte sich die Frau. Sie sprach mit Akzent und etwas undeutlich, als bekäme sie beim Sprechen den Mund nicht richtig auf. Außerdem benutzte sie die englische Sprache, was Valdez, in portugiesisch, spanisch und englisch gleichermaßen gut bewandert, erst jetzt auffiel.
Er schüttelte den Kopf. »Ich bin Valdez. Und Sie?«
Sie nannte ihren Namen, aber seltsamerweise vergaß er ihn sofort wieder. Der enge schwarze Lederoverall war geöffnet und ließ ihn die Ansätze ihrer Brüste sehen, aber irgendwie reizte ihn der Anblick nicht. Das einzige, was ihn halbwegs fesseln konnte, waren ihre braunen Augen, in denen winzige goldene Tüpfelchen funkelten.
»Bitte, was sagten Sie, Senhorita?«
»Ich wollte ein Zimmer mieten«, wiederholte sie etwas enttäuscht. »Aber wenn
Weitere Kostenlose Bücher