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0418 - Die Waldhexe

0418 - Die Waldhexe

Titel: 0418 - Die Waldhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Angst war noch größer geworden. Denn jetzt stand sie allein in ihrem fast aussichtslosen Kampf…
    ***
    Im Laufe ihrer Fahrt hatte Nicole nur versucht, sich Zamorras Zugriff zu entziehen. Wo genau sie sich jetzt befand, wußte sie nicht. Es war ihr auch egal. Die wenigen Schilder in portugiesischer Sprache, die hier und da im Lichtschein der Autolampen aufgetaucht waren, ignorierte sie. Sie fuhr einfach in die Richtung, die sie für gut hielt.
    Irgendwann, als der Morgen graute, bog sie von der breiten Staubpiste ab auf eine schmalere Seitenstraße. Sie war jetzt lange genug geradeaus gefahren, um einen Trick zu versuchen. Es hatte schon mehrere dieser Abzweigungen gegeben, und es würde garantiert auch noch mehrere geben. Diese Auswahl erschwerte es dem Verfolger, Nicole aufzustöbern.
    Sie fühlte sich nicht müde.
    Das Vampirische in ihr hielt sie wach. Wie lange noch? Was war in ihr anders geworden als bisher? Sie wußte es nicht, fand keine Lösung. Aber irgend etwas hinderte sie auch daran, es zu ergründen.
    Plötzlich glaubte sie Rauch wahrzunehmen, und den Geruch erkalteter Holzasche. Hatte es hier einen Waldbrand gegeben? -Sie fuhr langsamer.
    Unvermittelt wurde es vor ihr heller. Das Laubdach der dicht am Weg stehenden Urwaldriesen, das bislang den Blick auf den Morgenhimmel größtenteils verwehrt hatte, lichtete sich. Und plötzlich führte die Straße durch ein großes Rodungsgebiet!
    Tiefe Spurrillen zogen sich durch die Straße und ließen den Geländewagen tanzen. Spuren, die von überschweren Super-Trucks stammten, Schwerlastzüge, die die gigantischen Stämme gefällter Urwaldriesen abtransportiert hatten. Neben den Straßen hatten schwere Dozer sich mit ihren Riesenreifen in den Boden gewühlt. Baumstümpfe und Kleinholz waren zurückgeblieben, achtlos liegengelassen.
    Nicole fuhr jetzt langsamer.
    Sie begriff, daß sie sich in einem jener Gebiete befand, in dem die gnadenlosen Abholzaktionen stattfanden. So stark der Dschungel auch wucherte - gegen diese Kahlschläge kam er nicht mehr an. Straßen verkraftete er noch und brachte es fertig, sie innerhalb weniger Monate wieder zu überwuchern, wenn sie nicht ständig freigehalten wurden. Aber auf Flächen wie dieser, die sich bis zum Horizont zu erstrecken schienen, wuchs nichts mehr nach. Hier war die Substanz gründlich zersört.
    Langsam fuhr Nicole weiter.
    Nach einer Weile änderte sich das Bild abermals. Plötzlich war rechts neben der Straße ein riesiges, niedergebranntes Feld.
    So, wie die Holzfäller vorrückten, folgten ihnen Siedler.
    Brasilien war, wenn man die riesige Fläche betrachtete, unterbesiedelt. Aber während sich in den unwirtlichen Regenwaldgebieten Amazoniens und der südlicheren Bundesstaaten nur wenige Menschen aufhielten, vorwiegend Indianerstämme, die versuchten, sich von der Jagd und vom Sammeln zu ernähren, ballte sich die Bevölkerung in den Städten auf engstem Raum. Dort war das Leben längst unerträglich geworden. Man brauchte neuen Raum.
    Und so wurde gerodet.
    In der Wildnis breitete man sich aus, drängte immer weiter vor. Die Weltbank pumpte Millionen in die Siedlungsprojekte. Der Regenwald wurde stückweise niedergebrannt, auf der gerodeten Fläche Häuser gebaut und Äcker bestellt.
    Doch der Boden eignete sich nicht für Ackerbau und Viehzucht, laugte schnell aus und wurde unwirtlich. Man besaß nicht das Geld für Dünger, man hatte nicht die Zeit, Dreifelderwirtschaft zu betreiben und Ackerflächen brachliegen zu lassen. Denn es mußte mit den Erzeugnissen Geld herangeschafft werden, um das Existenzminimum überhaupt zu halten. Es war eine Vernichtungsschraube ohne Ende - immer mehr Menschen wurden geboren, immer mehr Land wurde gebraucht. Siedlungen mußten aufgegeben und auf neue, frisch gerodete Flächen verlegt werden, weil das Ackerland unfruchtbar geworden war, weil das Vieh keine Nahrung mehr fand…
    Nicole wußte nicht, wie viele Tausende und aber Tausende Quadratkilometer Regenwald jährlich vernichtet wurden. Sie wollte die Zahl auch nicht wissen - es war einfach zuviel.
    Aber was ließ sich daran ändern? Verbot man den Menschen, den Wald niederzubrennen und sich Siedlungsraum zu schaffen, würden sie zugrundegehen. Eine Patentlösung war noch nicht gefunden worden.
    Allmählich begann es auch den Bewohnern der zivilisierten Länder zu dämmern, was hier geschah und daß Hilfe dringend nötig war - aber Hilfe, die nicht nur aus weiteren Dollar-Millionen bestehen durfte, welche diese

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