042 - Die Schweinemenschen von Rio
ihnen – zwei Männer und ein Mädchen – waren nackt und mit weißen Streifen grotesk bemalt, die andern sehr modisch, normal oder ärmlich gekleidet. Zwei von ihnen hielten Hähne, die sie hin und her schwenkten, drei bliesen auf Querflöten, einer klopfte auf eine kleine Trommel. Die anderen rasselten und klapperten mit allerlei Instrumenten, bliesen auf Trillerpfeifen und vollführten einen Höllenspektakel, schrien und lachten unmotiviert.
Es war ein Karneval des Grauens.
Die groteske Prozession rückte zur Bühne vor und stieg hinauf. Die schwarzen Rumbatrommler flohen schreiend. Der Vermummte quiekte hinter der Bühne.
Nun ließ der Macumba-Priester die Schlange frei und deutete mit dem Totenkopfstab auf den Bühnenausgang. Schnell und zielstrebig glitt die Buschmeisterschlange davon. Dann waren nur noch die Stimmen der aufgeregten und verängstigten Zuschauer zu vernehmen.
Hinter der Bühne quiekte etwas entsetzlich, wie ein Schwein, das geschlachtet werden soll. Schließlich brach das Quieken ab, und einige Sekunden herrschte Stille. Dann kam die schwarze Tänzerin hinter der Bühne hervorgestürzt, das Gesicht zu einer hysterischen Maske verzerrt, immer wieder schreiend.
Wie von Furien gehetzt, die Hände seitlich an den Kopf gepresst, stürzte sie aus dem Club.
Zwei Macumba-Anhänger zogen lange Messer und eilten hinter die Bühne. Ich hielt es nicht mehr länger aus und drängte ebenfalls zur Bühne vor. Der Macumba-Priester starrte mich böse an und deutete mit seinem Totenkopfstock herrisch ins Publikum – zum Zeichen, dass ich verschwinden sollte.
»Du kannst mich mal«, sagte ich und eilte hinter die Bühne.
Die beiden Macumba-Anhänger standen in einer großen Blutlache. Einer steckte die Buschmeisterschlange in einen Sack, der andere hielt etwas in beiden Händen, das er ebenfalls in den Sack warf. Die Beleuchtung war so diffus; ich konnte nicht genau erkennen, was es war; aber es schien ein Schweinekopf zu sein, der gerade abgeschnitten worden war, denn es tropfte noch das Blut aus dem Stumpf. Am Boden aber lag ein kopfloser Körper.
Die beiden Macumba drückten sich eilig an mir vorbei.
Ich beugte mich über den Körper des Toten und untersuchte ihn. Der Körper war absolut menschlich. Ich öffnete die Kleider, um mich zu vergewissern. Es war der Körper eines Mannes, der auf die Bühne geflüchtet war und die Sängerin als Geisel genommen hatte. Aber konnte er einen Schweinekopf gehabt haben?
Ich eilte hinaus und wollte hinter den Macumba her. Sie verschwanden gerade durch die Tür. Im Club brach alles fluchtartig auf. Man hätte einen Panzerwagen gebraucht, um durch das Gedränge hindurchzukommen.
Der Manager stand bei der Bühne, das Gesicht eine Grimasse der ohnmächtigen Wut und Verzweiflung, die Fäuste geballt.
»Was war das?«, fragte ich ihn.
»Ich habe nichts gesehen«, zischte er mich an, »überhaupt nichts! Ich weiß von nichts, lassen Sie mich in Ruhe!«
Er hatte Angst vor den Macumba, und nach dem, was ich eben erlebt hatte, konnte ich es ihm nicht verdenken.
Jeff Parker zog mich am Ärmel. »Komm, Dorian. Raus hier! Mit der Polizei zu sprechen, hat keinen Zweck. Sie ignoriert das Treiben der Macumba aus Angst oder weil einflussreiche Männer es ihr befehlen. Ich weiß es von Vicente Neiva. Wir bekommen nur Ärger, wenn wir uns an sie wenden.«
Wir fanden einen Seitenausgang. Dann standen wir wieder auf der Avenida Copacabana und sahen die aus dem Stop drängende Menge, die sich rasch zerstreute. Ich wusste jetzt, dass ich nicht umsonst nach Rio gekommen war und dass mir noch allerhand bevorstand.
Wir holten unsere Sachen aus dem Hotelrestaurant und fuhren zum Hochhaus zurück. Nach dem Zwischenfall im Nightclub halten Jeff Parker und die beiden Mädchen keine Lust, weiter über den Boulevard zu flanieren. Sie blieben im Hochhaus, während ich zu dem Treffpunkt mit dem jungen Romero Marechal ging.
Im Hochhaus hatten wir hinter den Wohnungstüren wieder das seltsame Grunzen und andere tierische Geräusche gehört, aber Jeff weigerte sich entschieden auszuziehen. Er hatte drei Schusswaffen und war ein Mann, der sich seiner Haut wehren konnte. So ließ ich ihn mit Machu Picchu und Sacheen zurück.
Ich kam eine Viertelstunde zu spät, aber Romero hatte gewartet. Er führte mich die Barao de Ipanema und die Rua Emilia Berta hinauf, in der alte heruntergekommene Häuser standen, ins Hügelgebiet. Hier standen die Hütten und Baracken der Armen. Hunde jaulten in der
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