042 - In den Klauen der Knochenmänner
Streifschußwunde blutete nicht mehr, und auch Cirda hatte sich von dem Treffer des dosierten Feuerblicks Mr. Silvers erholt.
»Verdammt, da taucht dieser Tony Ballard bei uns auf«, knurrte Arrac, »und als er geht, merke ich auf einmal, daß ich all die Jahre unzufrieden war, ohne daß es mir bewußt wurde.«
Bosco nickte. »Daran habe ich auch gerade gedacht. Wir glaubten, das für uns einzig Richtige getan zu haben, scheinen aber doch die falsche Entscheidung getroffen zu haben.«
»Wir wollten das schwarze Gefüge verlassen«, sagte Cirda. »Und das war die einzige Möglichkeit, es unbeschadet zu tun. Hätten wir einen ganzen Schritt getan, so hätten wir Asmodis’ Zorn auf uns geladen. Das wollten wir nicht.«
Arrac kniff die Augen zusammen. »Sollten wir uns nicht feige vorkommen, Cirda? Beweist unsere Entscheidung nicht, daß es uns an Mut mangelt? Andere bekennen Farbe. Schwarz oder Weiß – sie entscheiden sich für eins von beiden. So wie Mr. Silver. Er weiß, wohin er gehört, und wenn er kämpft, weiß er, wofür. Wir hingegen führen ein von Asmodis geduldetes Leben. Der Fürst der höllischen Heerscharen braucht nur mit dem Finger zu schnippen, und wir müssen uns in die schwarzen Reihen wieder eingliedern.«
»Wir sind ausgeschieden, weil wir nicht kämpfen wollten«, sagte Bosco. »Wenn wir den neutralen Boden, auf dem wir heute stehen, verlassen, egal in welche Richtung, werden wir wieder kämpfen müssen.«
Arrac blickte auf seine Hände. »Das ist richtig, Bosco. Aber sollte nicht jeder vor sich selbst Farbe bekennen? Dieses Stillhalte-Dasein ist ein Leben für Feiglinge. Sind wir das? Sind wir Feiglinge?«
Cirda sah Arrac ernst an. »Ich weiß, worauf du hinaus willst.«
»Es ist gefährlich, was du denkst, Arrac!« warnte Bosco.
»In mir ist eine Leere. Seit Tony Ballard hier war, ist sie mir bewußt. Sie wird mich von nun an überallhin verfolgen, und ich werde mich immer wieder fragen: Bin ich wirklich zu feige, einen ganzen Schritt zu tun? Wieso konnte es Mr. Silver? Wieso habe ich nicht den Mut dazu?«
»Wir leben derzeit in Ruhe und Frieden«, sagte Bosco. »Wir sollten uns reiflich überlegen, ob wir das aufgeben wollen.«
»Also für mich gibt es nichts zu überlegen«, bemerkte Cirda. »Wie immer sich Arrac entscheidet, ich ziehe mit.«
Arrac Merris blickte seine Brüder an. »Glaubt ihr nicht, daß der ›Weiße Kreis‹ das Richtige für uns wäre? Wir hätten endlich Freunde, auf die wir uns verlassen könnten, hätten eine neue Heimat, eine lohnende Aufgabe, ein reiches Betätigungsfeld. Ich bin dafür, daß wir unsere Neutralität aufgeben und mit einem entschlossenen, weiteren halben Schritt klar die Fronten wechseln. Ich bin dafür, daß wir uns Pakkadees ›Weißem Kreis‹ anschließen.«
Cirda nickte. »Wenn du denkst, daß das das beste für uns ist, bin ich dabei.«
»Dann mache ich selbstverständlich auch mit«, brummte Bosco.
»Aber ich hoffe, ihr wißt, daß unser Leben von nun an mit Gefahren gespickt sein wird.«
»Wir werden sie nicht alle meistern müssen«, sagte Arrac. »Unsere neuen Freunde, die Mitglieder des ›Weißen Kreises‹, werden uns helfen.«
***
Vicky Bonney riß entsetzt die Augen auf. Großer Gott, ein Shlaak!
Und sie hatte ihn nicht kommen hören. Dieser Gegner wirkte gleich gefährlicher als der Halb-Dämon im Männerheim.
Das Höllenwesen wollte sie mit seinen grünen Schlangenfingern ergreifen. Vicky ließ sich zurückfallen. Das Gebüsch nahm sie auf, federte ihren Schwung weich ab, ließ sie fast sanft hindurchgleiten.
Das blonde Mädchen fiel jenseits des Gebüsches auf den Rücken, nützte den Schwung des Fallens aus und rollte über die linke Schulter weg. Nach dem Überschlag federte sie hoch und öffnete blitzschnell ihre Handtasche.
Der Shlaak stieß ein wildes Knurren aus und sprang durch den Busch. Vicky glaubte, vorhin gehört zu haben, wie ein Fahrzeug anhielt. Sie dachte, Tony Ballard und Mr. Silver wären endlich eingetroffen.
Das gab ihr Auftrieb. Gleich würde sie Hilfe bekommen. Gleich würde sie nicht mehr allein gegen den Shlaak kämpfen müssen. Sie wollte die Freunde herbeirufen, doch der Knochenmann verlangte ihr alles an Konzentration ab. Sie durfte jetzt nur an diesen lebensgefährlichen Kampf denken und an nichts anderes.
Der Shlaak versuchte sie mit Eispfeilen zu treffen. Vicky sprang zur Seite und riß die Derringer-Pistole aus der Handtasche, doch sie kam nicht dazu, abzudrücken, denn die
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