042 - Invasion der Käfer
geschlossen, doch in ihrem Gesicht beginnt es langsam zu arbeiten. Sie konzentriert sich auf den ’König, läßt sich von den Wellen ihres Geistes treiben. Muskeln zucken in dem schlafenden Gesicht, ihre Mundwinkel zittern leicht, und auf der Stirn erscheinen dicke, große Schweißperlen.
„Komm …“, fliegt es wie ein Hauch von den Lippen. Sie bittet, fleht mit einschmeichelnder Stimme, befiehlt. Ihr Körper bäumt sich auf, leise Schreie, heiser, unmenschlich, dringen aus ihrer Kehle, dann öffnet sie die Augen und sieht mich starr und leblos an. Die Pupillen sind geweitet, haben sich in ein blasses Grau verfärbt - die Augen einer Blinden.
Plötzlich ein hohles, glucksendes Lachen. Nicht mehr ihre Stimme, sondern die, die ich schon einmal im Jeep auf dem Weg nach Thanjavur hörte. Da kam die Stimme über die Lippen von Cathy Wilds. Das gräßliche, hohle Lachen wiederholt sich, reißt ab.
„Was willst du?“ fragt eine Stimme, die aus einer Gruft zu kommen scheint. Starr und unverwandt blicken mich dabei Lindas Augen an. „Warum hast du mich gerufen?“
„Die Käfer!“ antworte ich, versuche meine Stimme ruhig klingen zu lassen. „Rufe sie zurück! Ich befehle es dir!“
Wieder dieses hohle, glucksende Lachen.
„Du willst mir etwas befehlen?“
„Natürlich. Ich habe dir befohlen zu kommen, und du bist gekommen. Vielleicht hast du dich dagegen gewehrt, aber dann bist du doch unterlegen. Linda ist ein gutes Medium, darum gehört sie zu unserer Gruppe. Und jetzt bist du mein Gefangener, Teuchmar Thsal!“ Je länger ich spreche, um so härter, befehlender wird der Klang meiner Stimme.
Über die Lippen Lindas kommt ein Keuchen, die Stirn ist nun naß vom Schweiß, die Spitzen ihrer Finger sind weiß und blutleer. Ich spüre es, weiß es. Linda kämpft mit einem Toten. Er will fort, versucht ihrem Zwang zu entkommen. Aber ich habe Linda schon oft in diesem Zustand erlebt. Sie wird nicht nachgeben, wird ihn besiegen, wie sie alle besiegt hat …
Der Kampf geht weiter. Ihr Körper windet sich, die Schweißausbrüche nehmen zu, Krämpfe lassen ihre Glieder zucken. Wieder ein tiefes, hohles Ächzen aus Lindas Kehle.
„Es geht nicht!“ Fast ein Schrei, der in Wimmern übergeht. „Sie beherrscht mich, hält mich fest! Warum tust du das?“
„Nimm die Käfer mit. Dann läßt sie dich gehen.“
„Nie! Fluch über euch alle! Fluch über die, die mich verfluchten!“
„Gut, dann bleibst du bei uns!“
„Nein!“
„Sie wird dich zurückschicken. Zurück zu den Toten, den Fluch erneut über die aussprechen. Sie ist stark, du weißt es. Sie wird dich besiegen.“
Ich lüge das Blaue vom Himmel herunter, aber nur ein Bluff kann uns noch retten. Lange wird Linda keine Macht mehr über ihn haben. Ihre Kraft wird nachlassen. Schon jetzt zeichnet sich die Erschöpfung auf ihrem Gesicht ab. Minuten noch, dann kann sich der Geist von ihr freimachen. Oder sie wird irrsinnig. Gleich wird es sich entscheiden, ob unser letzter Versuch gelingt oder ob wir sterben müssen.
„Fliegt …“, haucht die Stimme. Die Augen in Lindas Gesicht sind grau, verwaschen, starren mich wie blind an. „Wartet auf mich …“ Die hohle Stimme befiehlt, fordert, dann sagt sie: „Sie sind fort. Aber ich werde mich gegen die Frau schützen. Dann werden sie wiederkommen. Und euer Tod soll die Seele für ein neues Tier werden. Tod und Fluch über eure Leiber!“
Lindas Augen fallen zu. Die Lippen schließen sich. Harry springt auf, rennt an eines der Bullaugen, starrt hinaus, während Linda erschöpft zur Seite sinkt und nur noch schwach atmet.
„Sie sind weg, Ray“, ruft Harry. Die Tür zum Cockpit öffnet sich, der Co steht da, sieht mich fragend und mit bleichem Gesicht an.
„Wir sind jetzt über Kairo, Sir …“
Ich lächle ihn an, sinke in einen Sitz und stoße einen erleichterten Seufzer aus.
„Sie können landen“, sage ich. „Wir sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.“
Linda schlägt die Augen auf, sieht mich genommen an. Der Co verläßt die Kabine. Harry starrt weiter hinaus. Ich helfe Linda in die Höhe. Still sitzt sie vor mir, blaß, mit geweiteten Augen, die jetzt aber von einem leuchtenden Blau sind, wie der Himmel über uns.
„Doc?“ fragt sie schwach. „Hat - es geklappt?“
Ich nicke, streiche ihr das Haar aus der heißen, feuchten Stirn.
„Ja, Linda, ich habe mit Teuchma Thsal gesprochen. Sehen Sie hinaus. Die Käfer sind fort. Sie haben zweihundert Leuten das Leben
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