0422 - Der Werwolf-Jäger
geworden. Soeben sind meine Freunde dabei, auch die letzte Stellung zu besetzen. Bisher war es in den Büros ruhig. So wird es auch bleiben. Nur hat sich die Stille dann verändert. Sie ist zu einer Totenstille geworden…«
Auch Michail Chirianow hatte die Worte gehört. Er war dieser Unterredung mit einer innerlichen Spannung und auch mit Entsetzen gefolgt. Daß die Vorbereitungen der anderen Seite schon so weit gediehen waren, mußte ihn hart getroffen haben.
Er sprach nach unserem Dialog, und seine Worte klangen ächzend. »Das kann ich nicht glauben.«
Lupinas untere Gesichtshälfte verzog sich. Sie begann zu lachen, brach das Gelächter schnell ab und sagte: »Du kannst nachsehen, wenn du mir nicht glaubst.«
»Das werde ich auch!« versprach Chirianow mit finsterer Stimme. »Zum Henker, ich werde nachschauen, dann geht es dir schlecht, das kann ich dir flüstern, verfluchte Bestie!« Ich schielte zu ihm hin. Er stand wie unter Strom. Heftig nickteer und riß gleichzeitig den Bogen hoch. »Aber zuvor, verfluchte Wölfin, erledige ich dich!«
Ich wollte ihn daran hindern, aber er war nicht mehr zu halten.
Die Sehne schnellte vor, als er sie losließ, der Pfeil wurde auf die Reise geschickt, und der Russe bewies mir, wie hervorragend er mit dieser Waffe umgehen konnte.
Er traf!
Der Pfeil hämmerte in das Bild hinein. Zwischen Lupinas Augen blieb er stecken.
»Das war’s!« schrie Chirianow und stieß triumphierend seine Faust gegen die Decke…
***
Kirgin mußte einen Wodka trinken. Das tat er im Dienst äußerst selten, jetzt ging kein Weg daran vorbei. Was man ihm berichtet hatte, war unfaßbar. »Werwölfe!« stöhnte er. »Verdammt, das glaubt mir doch niemand!«
»Sie werden sich daran gewöhnen müssen«, erwiderte Sir James.
Der Russe kippte den scharfen Schnaps. Er nahm seine Brille ab und reinigte die Gläser. Dabei schüttelte er den Kopf. »Ich muß den Botschafter informieren. Was meinen Sie, was der Mann sagt, wenn er erfährt, daß die englische Polizei aus unserer Handelsniederlassung zwei Leichen abgeholt hat?«
Sir James nickte gelassen. »Das könnte in der Tat ein wenig unangenehm für Sie werden.«
Kirgin winkte ab. »Unangenehm ist gar kein Ausdruck. Es gäbe einen Riesenkrach. Wahrscheinlich würde ich nach Sibirien versetzt werden.« Er beugte sich vor und blickte Sir James starr an.
»Und wissen Sie, was am schlimmsten bei der Sache ist? Ich weiß nicht einmal, wer in diesem verdammten Haus noch normal reagiert und wer nicht. Das bringt mich fast um.«
»Informieren Sie den Botschafter.« Sir James deutete mit dem Zeigefinger auf das Telefon.
Kirgin schien überrascht zu sein, da er nicht sofort reagierte. Er blieb hocken und stützte sein Kinn auf die Handfläche.
»Wollen Sie nicht, Mister, oder soll ich meine Leute anrufen, damit sie die Leichen…?«
Der Russe sprang auf und knallte seine Hand auf das Telefon. Er sprudelte einen Satz in seiner Heimatsprache hervor, dann verfiel er wieder ins Englische. »Egal, wie die Sache ausgeht, ich werde versetzt. Ich habe mir hier etwas geleistet, was nicht hätte sein dürfen. Ich hätte Sie nicht holen sollen. Es war eben nicht geheim genug, aber die Zentrale in Moskau…« Er brach ab, weil ihm etwas aufgefallen war. Zwischendurch hatte er die Nummer der Botschaft gewählt, aber keine Verbindung bekommen. »Komisch«, murmelte er.
»Besetzt?«
Kirgin schüttelte den Kopf. »Nein, da ist etwas mit der Leitung, kein Freizeichen, Sir James. Die Leitung ist tot.«
Der Superintendent nahm den Hörer an sich, lauschte und nickte ein paarmal. »Sie haben recht.«
Kirgin stieß gegen das Telefon. »Das kann doch nicht sein. Wir sind in einer zivilisierten Welt und nicht irgendwo…«
»Im tiefsten Sibirien, wie?« sagte Sir James nicht ohne einen leisen Spott in der Stimme.
»Unsinn. Dort funktioniert es. Es sind…«
»… unsere Freunde, Mr. Kirgin. Sie wissen genau, was wir vorhaben, und sie waren entsprechend vorbereitet. Ich will nicht vorgreifen.« Sir James rückte seine Brille zurecht. »Aber wenn mich nicht alles täuscht, sitzen wir in einer Falle.«
Kirgin verengte die Augen. »Können Sie sich da nicht genauer ausdrücken?«
»Ja, gern. Man wird dieses Haus unter seine Kontrolle gebracht haben.«
Der Russe sprang auf. »Wer ist man ?«
»Wissen Sie das wirklich nicht?«
»Nein, zum Henker.« Er setzte sich wieder. »Oder doch,« stöhnte er. »Oder doch – die… die Werwölfe.«
»So ist es.«
Kirgin
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