0425 - Asmodis jagt den Schatten
mit seiner Vermutung den Nagel auf den Kopf traf…
»Dann haben wir Pech, und Ombre dürfte mittlerweile tot sein. Weißt du eigentlich, Chef, daß wir nicht nur ihn finden müssen, sondern auch dafür sorgen, daß Amos ihn nicht einfach killt? Jede Minute zählt…«
»Meine Worte. Aber erst werden wir frühstücken. Dazu solltest du dir allerdings etwas mehr anziehen«, schlug Zamorra vor. »Als Eva vor dem Sündenfall gefällst du mir zwar bestens, bloß flippt die Hoteldirektion dann endgültig aus…«
Nicole zog eine Schnute. »Bestell das Frühstück aufs Zimmer«, sagte sie. »In Kleidung ist es nicht auszuhalten…«
»Der Früshtücksraum hat eine Klimaanlage«, versicherte Zamorra. »Außerdem - warum soll es dir besser gehen als mir, he?«
Nicole seufzte und ergab sich in ihr Schicksal.
***
Nicht ganz eine Stunde später waren sie unterwegs. Nicole lenkte den offenen 300 SL durch den Vormittagsverkehr der Stadt. Obgleich das Metallicsilber eine Menge Sonnenstrahlung reflektierte, war das Blech schon nach ein paar Minuten so heiß, daß man Spiegeleier darauf hätte backen können, behauptete zumindest Zamorra. Er hatte das Hemd weit geöffnet; angesichts des Wetters war es ihm ziemlich egal, daß jeder das vor seiner Brust hängende Amulett sehen konnte und von denen, die ihn für ein wenig verrückt hielten, sich mit einem so riesigen Schmuckstück zu behängen, die meisten Diebe waren. Vor allem in der Gegend, in die sie sich begeben wollten. Wie Nicole schützte er sich mit einem breitrandigen Strohhut vor der Sonne. Nicole hatte sich in Shorts und ein Sonnentop gezwängt und fand selbst das schon unzumutbar.
Zamorra gab ihr die Kursanweisung nach der Karte, die er vor sich ausgebreitet hatte. Eine Zeitlang kamen sie über den Florida-Boulevard einigermaßen zügig voran, der die Stadt von einer Seite zur ändern durchquerte, aber je näher sie dem Hafen kamen, desto zähflüssiger wurde der Verkehr. Es stank nach Abgasen. In nahezu jeder europäischen Stadt wäre bereits Smog-Alarm ausgelöst worden. Hier sah man das anscheinend etwas lockerer.
Aus offenen Fenstern dröhnte Musik und vermischte sich mit dem Lärm der Motoren, dem Stimmengewirr der Menschen und wilden Hupkonzerten. Aus den weit offen stehenden Türen einiger Kneipen, die bereits am Vormittag Hochsaison hatten, drang Jazzmusik, vom Band oder sogar live, auf die Straße hinaus.
Am Abend würde sich dieses Konzertgemisch noch weiter verstärken.
Schließlich wurde es in den Seitenstraßen ruhiger. Nicole ließ den Mercedes ausrollen und schaltete den Motor aus. Vorsichtshalber ließ sie das Lenkradschloß einrasten und brachte auch eine Diebstahlsicherung an, einen Krallenstock, der Bremspedal und Lenkradkranz miteinander verband. Diese Sicherung zu knacken, bedurfte einigen Aufwandes, den selbst professionelle Autodiebe scheuen würden, wenn es anderswo leichtere Beute gab.
»In dieser Straße ist es also?« Nicole zog die Brauen hoch. Die Häuserblocks, große Mietskasernen, in denen schätzungsweise zwanzig Wohnungen pro Haus Platz fanden, sahen heruntergekommen aus. Zahlreiche Fenster waren blind, von den Holzrahmen blätterte die Farbe, und Witzbolde oder Unruhestifter hatten die Hauswände mit Sprüh-Parolen und Graffitti verunziert. Unrat lag auf den Gehsteigen. Zwischen parkenden Autos, die eigentlich längst auf den Schrott gehörten, spielten halbnackte Kinder, die den silbern glänzenden Mercedes eher mißtrauisch denn bewundernd ansahen. Die Anwohner schienen überwiegend farbig und verarmt zu sein - wobei vermutlich das eine Bedingung für das andere war.
Zamorra winkte einigen Halbwüchsigen zu. Er drückte ihnen Dollarscheine in die Hand. »Paßt bitte ein wenig auf, daß keiner den Wagen ausräumt oder den Stern und die Felgen abmontiert, okay?«
»Ave, Boß«, versicherte der Anführer der Jugendlichen, der eine Schirmmütze mit Nieten, Säbel- und Totenkopfmotiven in allen Variationen trug. »Wir passen auf.«
»Warum hast du sie nicht nach Ombre gefragt?« erkundigte sich Nicole ein paar Meter weiter.
»Damit sie vergessen, daß sie Geld von mir bekommen haben? Eine ganze Menge Leute in Baton Rouge hat letztens recht allergisch auf meine Fragen reagiert. Es gibt hier noch ein paar andere Leute, die man interviewen kann.«
Er lehnte sich an eine Hauswand, von der der Putz abbröckelte, und tastete nach dem Amulett.
Amulette werden benutzt, um Spuren zu finden.
Vielleicht sollte er Merlins Stern
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