0426 - Tod im Alligator-Sumpf
Nicole hob die Brauen.
»Euer Freund Leonardo war hier. Er ist für diese Angriffe verantwortlich. Ich habe mir erlaubt, ihn zur Hölle zu schicken…«
»… nachdem du erst mal in aller Ruhe zugeschaut hast, ob wir nicht allein mit ihm fertig werden würden, eh?« fauchte Zamorra. »Meine Dankbarkeit hat ihre Grenzen, mein Bester.«
Asmodis lächelte.
»Vielleicht hätte ich ihm seinen Spaß sogar gegönnt«, sagte er. »Aber wer soll für mich die Kastanien aus dem Feuer holen, wenn er euch umbringt? Schließlich kann ich von Caermardhin aus nur wenig tun, solange Merlin nicht wieder aufkreuzt. Da brauche ich Leute wie dich.«
»Wir sind nicht deine Sklaven«, zischte Nicole wütend. Zamorra sah, daß sie hinreißend aussah, die Wassertropfen auf der Haut und das nasse, um ihr Gesicht und auf den Schultern klebende Haar, und inzwischen auch noch ohne die Stiefel, die sie im Wasser verloren hatte.
»Außerdem«, fuhr Asmodis fort, »habe ich gute Gründe, auch einfach nur so gegen Leonardo vorzugehen. Er war noch nie mein Freund, und jetzt sitzt dieser Usurpator und Emporkömmling auf meinem einstigen Thron.«
»Welchem du nachweinst, oder? Dein Verhalten in Baton Rouge deutet drauf hin«, sagte Nicole.
Asmodis hob die Hände. Daß er wie die beiden Menschen im nachlassenden Regen stand und völlig durchnäßt wurde, schien ihn ebensowenig zu stören wie die Tatsache, daß irgendwo ein Rudel Alligatoren lauerte.
»Da kommt man, um zu helfen, und wird beschimpft«, sagte er. »Ich denke, ihr braucht nicht zu befürchten, daß ich eurem hochverehrten, geschätzten und verhätschelten Mörder und Freund Ombre noch einmal etwas anzutun versuche. Es ist vorbei.«
»Was heißt das?« fragte Zamorra schnell.
»Es ist vorbei«, wiederholte Asmodis.
Zamorra blieb dicht vor ihm stehen und berührte mit dem gestreckten Zeigefinger Asmodis’ Brust. »Antworte. Weshalb ist es vorbei? Hast du ihn umgebracht oder was?«
»Ich brauche ihn nicht länger zu jagen«, sagte Asmodis kühl. »Oder was glaubt ihr wohl, weshalb ich Zeit hatte, euch zu helfen?«
»Du weichst mir aus«, knurrte Zamorra wütend. Asmodis drückte sich so aus, daß man seine Worte auslegen konnte, wie man wollte. Selbst damals, als er Fürst der Finsternis war, hatte er niemals gelogen, aber sich oft genug als Orakel gefallen, wenn er sich um eine wahrheitsgemäße Antwort aus irgend welchen Gründen drücken wollte.
»Du willst mir nicht antworten«, sagte Zamorra.
»Es sollte dir genügen, was ich gesagt habe«, erwiderte Asmodis. »Ich werde euch jetzt noch den Gefallen tun, euch zu eurem Schrottwagen zurückzubringen und euch beim Bergen eures Gepäcks zu helfen. Ihr könnt euch anziehen, ich bringe euch nach Baton Rouge.«
»Wir haben es nicht nötig, uns von jemandem helfen zu lassen, der möglicherweise einen Unschuldigen umgebracht hat und der auf konkrete Fragen keine vernünftigen Antworten hat«, sagte Zamorra.
Asmodis lachte.
»Wer fragt denn dich, ob ich dir helfen darf oder nicht? Ich tu’s einfach, auch gegen deinen Willen. Du weißt doch, wie hilfsbereit und zuvorkommend ich immer bin…«
Was zum Teufel, dachte Zamorra, während Asmodis nach ihm und der nicht schnell genug zurückweichenden Nicole griff und sich mit ihnen zum zertrümmerten Auto versetzte, verspricht er sich davon, uns zu helfen? Erstens paßt es nicht zu seinem Verhalten während seiner Jagd auf Cascal, und zweitens hat er noch nie etwas getan, ohne sich einen Nutzen davon zu versprechen!
Aber wie sollte dieser Nutzen aussehen?
Bei allem Mißtrauen kam Zamorra nicht darauf…
***
Es wurde nicht mehr richtig hell. Die Dunkelheit des Gewitters ging in die Abenddämmerung über. Zamorra und Nicole hatten ihr Hotelzimmer in Baton Rouge zwar am Vormittag aufgegeben, weil sie nicht damit rechneten, daß Yves Cascal in absehbarer Zeit wieder hier auftauchte, aber jetzt, bei ihrer Rückkehr mit Sid Amos’ Hilfe, checkten sie noch einmal neu ein. Ein vernünftiges Hotelzimmer bot ihnen etwas mehr Komfort, um zu duschen, sich von den Strapazen zu erholen und eine Weile mit sich selbst zu beschäftigen, als es ihnen in einem der Highway-Motels möglich gewesen wäre. Zudem hatten sie nach dem Bayou-Fiasko ja noch einiges zu regeln.
Sid Amos hatte sich bald verabschiedet. »Meine Jagd ist beendet«, hatte er noch einmal gesagt. »Ich kehre nach Caermardhin zurück. Was die Zukunft bringt, weiß ich nicht. Vieles ist zerstört worden, anderes unmöglich
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