0427 - Zurück aus dem Grab
einen lebenden Körper, in dem er sich bewegen konnte nach eigenem Willen.
Gab es eine größere Rache als die, seinem Mörder den Körper zu stehlen?
Ganz vorsichtig begann Eysenbeiß seine geistigen Fühler auszusenden und Leonardo deMontagne zu sondieren.
Er durfte nichts überstürzen. Er wußte, daß es lange dauern konnte. Denn wenn Leonardo deMontagne aufmerksam wurde und bemerkte, was ihm drohte, würde er nicht zögern, das Amulett abzulegen. So sehr es ihm auch nützte — er würde eher darauf verzichten, als sich in unnötige zusätzliche Gefahr zu bringen.
Er durfte nichts davon bemerken.
Deshalb ließ Eysenbeiß sich Zeit. Er ging mit der Geduld eines Steines zu Werke. Er wußte, daß Leonardo sich nicht so bald erholen würde. Deshalb brauchte er nichts zu überstürzen.
Aber…
Da war dennoch irgend etwas anderes, das ihn antrieb. Eine dumpfe Ahnung, daß es nicht gut sein mochte, länger als nötig als geistiger Gast in der Silberscheibe zu verweilen.
Da war eine dumpfe Drohung, die aus dem Nichts zu kommen schien, aus unendlichen Fernen. Ein Druck, der fast unmerklich stärker wurde…
***
»Also stehen wir gewissermaßen immer noch am Anfang«, sagte Zamorra. »Wahrscheinlich werden wir die Nacht abwarten müssen, um einen Schritt weiterzukommen.«
»Wir sind einen großen Schritt weiter«, korrigierte Nicole. »Immerhin wissen wir jetzt, daß Stygia Knight nicht menschlich ist. Und daß das Amulett sie in die Flucht schlägt.«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Ich bin da nicht so optimistisch. Sie hat nicht mit deinem Angriff gerechnet und war überrascht. Beim nächsten Mal sieht das vielleicht anders aus. Aber das, worum es mir ging, haben wir nicht — nämlich jenes Stück Papier mit einer Unterschrift, die uns entgegen der Behauptung des Deputy und dieser Stygia erlaubt, uns auf dem Grundstück zu tummeln.«
»Die Papiere in Mister Blossoms Mercedes…«, erinnerte Laura Edwards.
»Darauf möchte ich mich nicht hundertprozentig verlassen«, sagte Zamorra. »Aber wir werden Eagle Crest heute abend trotzdem noch einmal betreten. Ein dämonisches Wesen kann uns das nicht verbieten. Und ich will wissen, wohin die drei Männer verschwunden sind. Ich will sie nach Möglichkeit zurückholen. Wie, weiß ich noch nicht.«
»Warum am Abend, in der Nacht?« wollte Laura wissen.
Zamorra lächelte. »Bei Nacht sind alle Katzen grau, sagt man. Es wird niemand da sein, der uns sieht. Außerdem ist die Nacht die Zeit der Dämonischen. Es besteht eher die Chance, sie aus der Reserve zu locken.«
»Aber ist das nicht zu gefährlich?« Laura schauderte, als sie sich daran erinnerte, von der unsichtbaren Kraft Stygia Knights fast durch die Hauswand gedrückt worden zu sein. Sie wußte, daß sie nicht den Mut aufbringen würde, sich jener unheimlichen Frau noch einmal zu widersetzen.
»Wer den Löwen und das Nashorn jagt, muß sich in die Steppe hinauswagen«, erwiderte Zamorra. »Stygia ist zwar kein Löwe und auch kein Nashorn, aber wenn wir uns nur einfach hinsetzen und abwarten, wird das alles nichts. Ich muß versuchen, die unheimliche Macht, die sie verkörpert oder die hinter ihr steht, zu provozieren. Dann erkenne ich Schwachstellen und schlage zu. Machen Sie sich da keine Sorgen, Miß Edwards. Nicole und ich wissen sehr gut, worauf wir uns einlassen, was wir riskieren können und was nicht. Wir machen so etwas schon seit vielen Jahren — und leben immer noch.«
Laura war nicht sonderlich beruhigt, aber sie sagte nichts mehr dazu. Was konnte sie auch Vorbringen? Für sie war das alles neu und unbekannt, für jene beiden Menschen dagegen schien es Routine zu sein.
»Und ich?« fragte sie. »Muß ich — mit dabei sein?«
»Besser nicht«, sagte Nicole zu ihrer Erleichterung. »Verstehen Sie diese Zurückweisung nicht falsch, aber erstens können Sie uns mangels Erfahrung ohnehin nicht helfen, und zweitens wären wir nur gezwungen, auf Sie mit aufzupassen. Ich glaube, Sie sind auch ganz froh darüber, daheim bleiben zu können, nicht wahr?«
Laura Edwards nickte.
»Sie sind, wenn Sie sich ab jetzt aus der Sache heraushalten, sicher«, ergänzte Zamorra. »Stygia hat erreicht, was sie wollte — mit den Papieren aus dem Büro können Sie in Sachen Eagle Crest nichts mehr anfangen, so oder so. Es wäre daher unlogisch, wenn sie Sie noch einmal belästigen würde. Trotzdem werde ich Ihnen vorsichtshalber etwas mitgeben, das Sie nicht mehr ablegen sollten, bevor der Fall abgeschlossen
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