0429 - Höllenfahrt der Templerkutsche
Engländer hatte die Worte vernommen und reagierte bereits leicht panikerfüllt. Er hob seine gefesselten Hände an.
»Nein, nein, auf keinen Fall. Ich will es nicht wissen.«
»Aber du weißt es!« Ich packte ihn und zog ihn zu mir heran. »Jetzt kannst du reden, mein Freund!«
»Ja, ja. Wir müssen weg. Runter von dieser verdammten Straße! Verstecken wir uns. Es ist die einzige Chance!«
»Verstecken? Wovor?«
»Vor ihr, denn sie kommt. Sie ist unterwegs. Hört ihr sie denn nicht, zum Teufel?«
»Wer ist es?«
Wir erhielten keine Antwort mehr von ihm, versuchten aber, die Geräuschquelle auszumachen. Es war ein unheimlich klingendes Rollen und Wallen, als würde etwas sehr schnell über den Boden jagen. Ein Geräusch, das Angst einflößen konnte, denn es fuhr lawinenähnlich auf uns zu. Dabei blieb es nicht nur auf den Untergrund beschränkt. Die gesamte Umgebung war davon erfüllt, hinter und über dem Friedhof jagte es her, in der Luft lag es wie eine finstere Warnung.
»Wer kommt da?« schrie ich Ivic an.
»Die… die Kutsche der Templer, die Totenkutsche!«
Ich war überrascht. Suko, der sich einige Schritte entfernt hatte, drehte sich um. »Eine Kutsche?«
»Ja!« rief Ivic drängend.
»Und was will sie hier?« fragte ich.
»Die Zombies holen!«
»Und weshalb?«
Er wollte eine Antwort geben, das sah ich ihm an, aber die Worte wurden ihm buchstäblich von den Lippen gerissen, als er an mir vorbei nach vorn schaute und seine Augen groß wurden.
Ich drehte mich um.
Auch ich erschrak heftig, denn schräg über uns, ungefähr in gleicher Höhe mit dem oberen Rand der Friedhofsmauer und eingehüllt in ein geisterhaft bleiches Licht, schwebte eine prächtige Kutsche, die von zwei bleichen, knochigen Pferden gezogen wurde…
***
Obwohl die eisenbeschlagenen und verzierten Räder den Boden nicht berührten, vernahmen wir die rollenden Geräusche, als hätte die Kutsche Bodenkontakt.
In einer schrägen Linie »rollte« sie heran.
Sergio Ivic schüttelte den Kopf. Er hob seine gefesselten Hände, es war eine Geste des Flehens, und er beugte sich dabei vor. Wir sahen ihm an, daß er Angst verspürte.
Wußte er mehr?
Ich sah noch einmal zu ihm rüber. Sein Gesicht war verzerrt, der Mund stand halboffen, er atmete gequält, und Tränen quollen aus seinen Augen.
Dieser Mann wußte mehr, und er verging fast an seiner Angst. Ich lief zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter, während Suko die bleiche Kutsche im Auge behielt.
»Was hast du?« schrie ich ihn an.
»Wir müssen weg, weg, weg!« Er machte den Eindruck, als wollte er mit seinen gefesselten Händen nach mir schlagen, zuckte aber im nächsten Moment zurück, atmete tief durch und sprach von der Kutsche, die alles überrollen würde.
»Was will sie?«
»Nichts. Nicht - den Tod!« Er löste sich auch von mir und lief selbst an Suko vorbei.
»Halt ihn fest, Suko!«
Der Chinese war zwar schnell, aber Ivic rannte plötzlich wie ein Rennläufer. Er hatte alles vergessen. Irgendwie mußte er sich der Kutsche nähern, obwohl er eine so große Angst vor ihr hatte.
In den folgenden Sekunden lief alles sehr schnell ab, obgleich ich das Gefühl hatte, es viel langsamer zu erleben.
Sergio Ivic hatte noch Chancen, den beiden Pferden und auch der Kutsche auszuweichen, aber er schaffte es nicht, oder er wollte es nicht schaffen. Taumelnd rannte er dem Gefährt entgegen und erreichte es, als es den Boden berührte und wir nichts mehr für ihn tun konnten.
Als torkelnde Gestalt verschwand er plötzlich unter den Bäuchen der beiden Gäule, nachdem er von den zutretenden Hufen zu Boden geschleudert war.
Ein Wirrwarr aus um sich schlagenden Pferde- und Menschenbeinen entstand. Die Räder drehten sich schneiler, sie rollten weiter, aber über Sergio, und einen Moment später jagte die Kutsche auf die Brücke und damit auf uns zu.
Suko war mit einem mächtigen Satz zur Seite gesprungen. Er stand mit dem Rücken an der Brüstung. Ich hatte noch einen Moment gewartet, noch unter dem Eindruck stehend, wie die Pferde und die Kutsche Sergio regelrecht niedergemacht hatten.
Dann mußte ich weg.
Suko hatte sich nach rechts geworfen, ich nahm die andere Seite. War schnell genug, um nicht erwischt zu werden, spürte den Luftzug der vorbeirasenden Kutsche und sah aus den Radnaben spitze Stäbe ragen, die einen Menschen aufschlitzen konnten, wenn er zu nahe an das Gefährt herankam.
Sie rollte ratternd vorbei, die Hufe der Pferde klapperten auf dem
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