043 - Das Beinhaus der Medusa
lachte Larry Brent. Er warf den
Motor an, und der Wagen, der sich auch als Amphibienfahrzeug eignete, schoß
über die dunkle, glatte Wasseroberfläche. »Ich kann es kaum erwarten zu
erfahren, was der tote Marne über die Vermittlung des Mediums der Nachwelt zu
berichten hat …«
●
Er begriff selbst nicht, weshalb er auf die Idee gekommen war. Die
Sehnsucht und ein ungestilltes Verlangen waren stärker gewesen als die Scheu
und die Vernunft, außerhalb der Dienstzeit vom Schloß wegzubleiben.
Mit dem Anbruch der Dunkelheit war Haakon Danielsen zu Inger Bornholm
gekommen, obwohl er dazu keinen offiziellen Auftrag hatte. Die charmante
Gastgeberin zog ihn mit beinahe magischer Gewalt an.
Als er schließlich vor der Eingangstür stand und Inger Bornholm ihm
öffnete, da ließ sie ihn lächelnd ein, als hätte sie ihn erwartet. Es war alles
so selbstverständlich und es war doch unnatürlich.
Bei einem heißen Punsch kamen sie ins Plaudern. Wieder wurde Danielsen
nicht bewußt, daß er eigentlich Dinge sagte, die er besser für sich behalten
hätte. Doch das anregende Getränk löste seine Zunge. Er fühlte sich in der Nähe
Inger Bornholms merkwürdig gelöst und heiter und war glücklich, an der Seite
der Schönen den Abend zu verbringen. Danielsen wußte nicht, wie er dazu kam,
von seinem Tag im Büro zu erzählen. Hatte Inger ihn danach gefragt?
Der Kriminalassistent lachte leise. »Eigentlich dürfte ich es Ihnen nicht
sagen …«
Inger Bornholm erwiderte seine Fröhlichkeit mit einem charmanten Lächeln
und rückte auf dem breiten, weichen Sofa noch ein wenig näher an ihn heran. Die
seltsame Frau schien es zu übersehen, daß ihre nackten Knie die Beine
Danielsens berührten.
Inger Bornholm sah verlockender und schöner aus als je zuvor.
»Es ist eigentlich eine lustige Sache. Und irgendwie sind Sie schließlich
auch daran beteiligt. Warum sollten Sie nichts davon wissen? – Berndson, mein
hochverehrter Chef, hat dem Schreiberling Haydaal die Erlaubnis gegeben, Ihre
ausgezeichnete Statue, die Sie von Marne schufen, näher unter die Lupe zu
nehmen. Das Ganze ist mir ein Rätsel, denn Haydaal will nachweisen, daß es eine
Verbindung zwischen dem Tod des Schriftstellers Mjörk und der Statue des Marne
gäbe. Verrückt, nicht wahr? Haydaal ist ein ebenso weltabgewandter Träumer wie
die beiden anderen Typen, scheint es mir. Offenbar hegt er den Verdacht, daß
der Geist Marnes in der steinernen Statue weiterlebt, und die Kontakte zur
Geister- und Dämonenwelt noch immer bestehe.«
Haakon Danielsen sah nicht das verräterische Aufblitzen in den schönen
Augen der Norwegerin. »Und Haydaal ist jetzt im Besitz der Statue?« fragte sie
scheinbar nebenher, so, als interessiere sie das Ganze nur am Rande. Sie griff
nach ihrem Glas und nippte an dem heißen, dampfenden Punsch.
»Drüben auf die Insel hat er sie geschafft. Berndson weiß davon. Bei
Tagesanbruch muß sie wieder an Ort und Stelle sein.«
Danielsen bemerkte nicht, daß die Gedanken seiner verführerischen
Gastgeberin wie im Fieber arbeiteten.
Er winkte ab und wandte sich ihr zu. »Aber warum unterhalten wir uns über
den Alltagskram, der mich im Büro ständig verfolgt.« Seine Augen leuchteten,
und er fühlte wieder das Verlangen in sich aufsteigen, die junge Frau an seiner
Seite zu umarmen und zu küssen. Es wurde so heftig, daß er sich nicht mehr
dagegen zu wehren vermochte.
Wie in Trance zog er Inger an sich. Bereitwillig öffneten sich ihre
feuchtschimmernden Lippen.
Haakon Danielsen ließ zärtlich seine Finger über ihr Haar gleiten und nahm
ihr Gesicht in beide Hände. Seine Rechte strich bis an ihre Schläfen hoch und
erreichte den Ansatz ihres Haares.
Und dann – wie es eigentlich geschah, hätte er nicht zu sagen vermocht.
Mit den Fingerspitzen rutschte er unter den Ansatz der Langhaarperücke und
unter seinen Fingerkuppen regte es sich plötzlich!
Danielsen zuckte zusammen. Er hatte das Gefühl, als griffe er in einen offenen,
mit Gewürm gefüllten Schädel!
Der Kriminalassistent erschauerte, als er seine Hand zitternd zurückzog.
Inger Bornholm stieß ihn von sich. Blitzschnell warf sie sich auf die
Seite.
Danielsen sah sie aus großen Augen an. Er erblickte die verrutschte
Perücke, die Inger vollends vom Kopf zog.
Erstaunen und Verwirrung war in den Augen Haakon Danielsens zu lesen. Er
war nicht mehr in der Lage, sich von der Couch zu erheben.
Seine Füße wurden schwer wie Blei. War es das Getränk, das er
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