043 - Das Beinhaus der Medusa
hielt er an. Die Scheinwerfer erloschen.
Die beiden Männer betraten das dunkle Anwesen. Keiner von ihnen machte sich
erst die Mühe, zu dem riesigen Tor zu gehen, das durch eine querliegende Stange
gesichert war. Ein Paradoxon! Von allen Seiten konnte man den Hof betreten.
Haydaal und Larry näherten sich einem Seitenflügel.
»Es brennt nirgends Licht«, bemerkte X-RAY-3 leise.
»Hoffentlich hat man Sie nicht an der Nase herumgeführt.«
»Ausgeschlossen!« Aber so ganz sicher klang die Stimme des Norwegers nicht.
Haydaal ging nun erst um das Haus herum. Von der Ecke her konnte er schräg über
einen Hof blicken. In der Dunkelheit vor ihnen zeichnete sich eine Baumgruppe
ab. Daneben ein alter Brunnen.
Wie ein Schatten huschte Haydaal über den Hof. Genau zwischen den
Baumstämmen hatte auf einem Sockel Marnes Gestalt gestanden. Man mußte schon
sehr nahe herangehen, um die Stelle zu sehen.
»Von da aus hat man unmöglich bemerkt, daß die Statue fehlt«, flüsterte
Haydaal, nachdem er zurückgekommen war.
»Selbst wenn man es inzwischen festgestellt hat, ist das kein Problem.«
Haydaal nickte. Es war, als könne der Agent Gedanken lesen.
»Ich habe Berndsons Rückendeckung. Wenn er eine Meldung erhält, dann macht
sich die Polizei eben auf die Socken. Und spätestens morgen früh ist die
verschwundene Statue, die irgendein exzentrischer Jugendlicher entfernte,
wieder herangeschafft.«
Haydaal ging in das vorderste Haus. Der Dielenboden knarrte unter den
Schritten der beiden Männer.
Sie passierten einen Durchlaß und standen wieder vor einer Tür. Haydaal
hielt lauschend den Atem an.
Dann nickte der Reporter. Er schob seine karierte Mütze ein wenig auf das
rechte Ohr. »Ich glaube, daß alles seine Richtigkeit hat. Sie sind da.«
Leise klopfte er an. Es dauerte keine zwei Sekunden, da wurde von innen ein
Riegel zurückgezogen.
Eine dunkle, kräftige Gestalt erschien in der Türfüllung.
»Ich bin’s. Haydaal.« Der Reporter sprach mit einemmal sehr leise.
Der dunkelgekleidete Mann auf der Schwelle trat zur Seite.
Erst in diesem Augenblick wurde ihm bewußt, daß hinter Haydaal noch jemand
stand. Der Reporter aber kam einer Reaktion des Mannes, der auf ihn gewartet
hatte, zuvor. »Das ist ein Freund. Ein sehr wichtiger Mann für uns, Erik. Ich
möchte gern, daß er dabei ist. Ich bin überzeugt, daß er mehr zur Aufklärung
von Marnes Verschwinden beitragen kann als ich …«
Haydaal schien Vertrauen zu genießen. Der mit Erik Angesprochene ließ beide
in den düsteren Raum. Ein schwerer, samtener Vorhang schloß sich hinter ihnen.
Alle Wände waren mit dichten Wolldecken verhängt. Sie waren einfarbig rot.
Auf einem langen, altarähnlichen Aufbau zur Rechten standen eine Reihe
dunkelgetönter Kerzen. Mitten im Raum waren als einzige Einrichtungsgegenstände
ein großer, runder Tisch zu erkennen und schräg dahinter, direkt vor der
rotverhangenen Wand, ein altmodisches Sofa.
Außer dem Mann, der Erik hieß, war ein zweites Mitglied der Liga anwesend.
Ein junger Bursche, blaß, ruhig, mit hochstehenden Backenknochen und
tiefliegenden Augenhöhlen.
»Das sind Marnes engste Vertraute«, erklärte Haydaal. Larry wurde vorgestellt.
Man akzeptierte ihn, behandelte ihn jedoch mit einer gewissen Scheu und
Neugierde.
Links, am Kopfende des Sofas, waren auf die Stoffwand mehrere Regalbretter
aufgenagelt, wo dicht nebeneinander dicke, alte Bücher standen. Das unterste
Regalbrett enthielt, enganeinandergepreßt, mehrere Jahrgänge einer esoterischen
Zeitschrift, die dem Spiritismus und okkulten Praktiken gewidmet war und die
Marne persönlich herausgegeben hatte.
Mit einem einzigen Blick nahm Larry Brent diese düstere Umgebung in sich
auf. Sein Hauptinteresse aber galt der jungen, sehr bleichen und ungewöhnlich
schmalen Frau, die auf dem Sofa lag. Sie atmete kaum.
»Wir haben sie wieder in Trance versetzt«, machte sich Erik nun bemerkbar.
Er sprach so leise, daß man ihn kaum verstand.
Und es war eigenartig, daß man in dieser Umgebung unwillkürlich die Stimme
senkte. Auch Larry konnte sich einer solchen Reaktion nicht entziehen.
»… der erste Versuch war ein hundertprozentiger Erfolg. Ich habe bereits am
Telefon gesagt, daß wir Kontakt hatten. Marne wollte sich uns mitteilen. Aber
dann versagte das Medium plötzlich. Ich hoffe, daß es die Kraft aufbringt und
wieder an dem Punkt anknüpfen kann, wo es den Faden verlor.« Erik ging um das
Sofa herum. Der zweite Liga-Angehörige stellte jedem
Weitere Kostenlose Bücher