043 - Das Beinhaus der Medusa
warf einen Blick auf den versteinerten Marne und sah
dann noch einmal auf das verschwommene Bild.
Gab es einen Zusammenhang? Das, was in dieser Nacht hier geschah, war mehr
als makaber.
Mjörks Geist schien unsichtbar über ihnen zu schweben und sie
zusammengeführt zu haben. Sein Brief, das unheimliche Bild und das eigenwillige
Verlangen, die Substanz der Statue zu untersuchen, standen in engem
Zusammenhang.
Thor Haydaal sprach das aus, was Larry Brent in diesen Sekunden dachte: »Es
scheint ein einziger Irrsinn zu sein, aber alles spricht dafür, daß Mjörk einem
unheimlichen Menschen begegnet ist. Diese Fotografie muß echt sein. Es ist weder
ein Gemälde noch eine Puppe, noch hat Mjörk sich den Spaß erlaubt und auf einer
Party eine seiner Freundinnen mit einer Medusenperücke versehen. Obwohl ihm
auch das zuzutrauen wäre. Doch der Tonfall des Briefes und die Art und Weise,
wie dieses Bild offensichtlich zustande kam, geben mir zu denken.
Demnach ist ein Zweifel an der Echtheit der Fotografie ausgeschlossen …«
●
Zahllose Fragen drängten sich Larry auf. Aber er wußte, daß auch Thor
Haydaal sie nicht beantworten konnte. Außerdem wurde das Gespräch der Männer
unterbrochen, als Leif Rudnik, der junge Geologe, zurückkam.
»Mach dich an die Arbeit«, munterte Haydaal ihn auf.
»Wann, glaubst du, hast du in etwa eine Ahnung davon, aus welchem Material
die Statue besteht?«
»Es kann eine halbe Stunde dauern, es können aber auch drei oder vier
Stunden vergehen. Ich nehme an, daß du detaillierte Unterlagen haben willst …«
Während Rudnik sprach, baute er auf einem rasch auseinandergeklappten Tisch
seine Instrumente auf. Aus der schwarzen, prall gefüllten Tasche, die er vom
Boot geholt hatte, kamen mit Salzen und Säuren gefüllte Fläschchen zum
Vorschein, die deutlich etikettiert waren, und die er vorsichtig hinstellte.
»Ich werde zuallererst eine Gesteinsprobe entnehmen. Am besten von einer
Stelle, die später nicht auffällt«, sagte Rudnik.
Seine Stimme klang ruhig und fest. Offenbar hatte Haydaal ihm nicht
verraten, worum es wirklich ging.
Unter der Achselhöhle kratzte Rudnik ein wenig von dem gelblich-grauen
Material ab, legte es auf eine Briefwaage und machte auf einem Bogen Papier
genaue Eintragungen. Im Schein der Stallaterne verfolgten Larry Brent und der
norwegische Reporter die Arbeit des Geologen.
Plötzlich kniff Haydaal die Augen zusammen.
»Das Telefon?« fragte er leise.
Larry Brent nickte. Auch ihm war es so vorgekommen, als hätte es in dem
angrenzenden Bungalow geläutet. Und jetzt schlug der Apparat drüben ein
zweitesmal an.
Haydaal eilte ins Haus. Zwei Minuten später kam er zurück.
An seinem Verhalten war sofort zu erkennen, daß etwas Ungewöhnliches
geschehen war.
Er zog X-RAY-3 auf die Seite. »Ich habe einen Anruf bekommen. Aus dem
Liga-Hauptquartier …« Haydaal sprach so leise, daß der intensiv beschäftigte
Geologe nichts verstand.
»Man hat Sie beobachtet, als Sie die Statue ausliehen?«
Haydaal schüttelte den Kopf. »In der Zentrale fand eine Sitzung statt. Man
hat ein Medium in Trance versetzt. Über das Medium soll es zu einem Kontakt zu
dem toten Marne gekommen sein …«
●
Sekundenlang begegneten sich die Blicke der Männer. »Ich soll sofort
hinkommen«, fuhr Haydaal erregt fort. »Der Vertreter Marnes weiß, daß ich mich
um das geheimnisvolle Verschwinden des Liga-Leiters kümmere. Ich bin jeder Spur
nachgegangen. Ich werde mich sofort auf den Weg machen …«
»Wenn Sie nichts dagegen haben, Thor, dann möchte ich Sie begleiten.« Larry
Brent hatte das Gefühl, daß sich hier etwas Ungeheuerliches zuspitzte. Und sein
Gefühl hatte ihn noch nie getrogen!
Haydaal nickte. Er gab Leif Rudnik zu verstehen, daß er für mindestens anderthalb
Stunden allein hier sein würde. X-RAY-3 gewann den Eindruck, daß der Geologe
froh darüber war, ungestört arbeiten zu können.
Gemeinsam mit Thor Haydaal verließ Larry Brent den Schuppen. Die beiden
Männer stiegen in den knallroten Lotus Europa, mit dem Larry Brent die
schwierigsten Paßstraßen in Schweden und Norwegen mit Leichtigkeit hatte nehmen
können. In den engsten Kurven hatte der schnelle Wagen seine Wendigkeit und
seine Sicherheit bewiesen.
»Ich freue mich, daß Sie dabei sind«, kam es über Thors Lippen. »Wären Sie
nicht auf den Gedanken gekommen, mich zu fragen, ich hätte Sie darum gebeten,
mich zu begleiten.«
»Halten Sie das meiner Neugierde zugute«,
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