043 - Das Beinhaus der Medusa
erwehren.
Ihre Logik ist unbestechlich. – Wenn ich mich in Ihre Lage versetze, erkenne
ich gleichzeitig auch die tödliche Gefahr, die auf Sie lauert. Weihen Sie
zumindest eine vertrauenswürdige Person ein, auf die Sie sich verlassen können.
Ich habe versucht, Morna Ulbrandson und Iwan Kunaritschew zu erreichen. Die
Schwedin befindet sich im Augenblick in Afrika, und ihr russischer Freund und
Kollege, mit dem Sie schon manchen Fall zum Erfolg führten, hat in Indien zu
tun. Beide stecken bis über die Ohren in Arbeit. Aber ehe ich es riskiere, auch
nur einen dieser beiden Mitarbeiter, die in Zusammenarbeit mit Ihnen ein
optimales Endergebnis versprechen, abzurufen, benötige ich zumindest die
Unterlagen von Professor Sörensen. Wenn er feststellt, daß der Staub organische
Substanzen enthält, daß er tatsächlich als Basis auf die menschliche Haut
zurückgeht, dann sind alle Zweifel beseitigt. – Ich empfehle Ihnen in diesem
besonderen Fall, auf das engste mit Tom Kvaale zusammenzuarbeiten, ein verläßlicher
und intelligenter Mitarbeiter, der auf der Warteliste künftiger Agenten steht.
Seine Arbeit in Norwegen ist ohne jeden Tadel. Kvaale ist mehr als ein
Mittelsmann und mehr als ein Nachrichtendienstler. Er geht oft eigene Wege.
Persönlicher Einsatz und selbständiges Denken sind die ersten Schritte
dazu, eventuell ein PSA-Agent zu werden. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg,
X-RAY-3!«
Der Amerikaner mußte knapp zwei Stunden fahren, ehe er in dem tief
eingeschnittenen Flußtal zu der von X-RAY-1
angegebenen Stelle kam. Schon von weitem sah er die Positionslichter des
gelandeten Hubschraubers. Ein junger Mann kam auf Larry zu, groß, schlank,
sympathisch auf den ersten Blick. Tom Kvaale. Er war etwa fünf oder sechs Jahre
jünger als Larry. Kvaale wußte schon Bescheid. Es bedurfte keiner langen und
zeitraubenden Erklärung mehr. Der junge Norweger, der den Ehrgeiz besaß, als
Agent in die Reihen der besten Männer um X-RAY-1 einzuziehen, war über die
wichtigsten Dinge unterrichtet.
Larry verabschiedete sich von ihm mit den Worten: »Es ist nicht
ausgeschlossen, daß ich Ihre Hilfe benötige, Tom.«
»Es wird mir eine besondere Ehre sein, X-RAY-3«, strahlte der Norweger. Er
sprach ein fast akzentfreies Englisch.
»Ich erwarte Professor Sörensens Meldung aus Oslo noch an diesem Morgen.
Hier ist die Telefonnummer, unter der ich bis acht Uhr zu erreichen bin.« Er
reichte dem Norweger seine Karte, nachdem er die Nummer darauf geschrieben
hatte. »Bis um acht Uhr werden Sie von mir auch hören, ob ich Sie benötige.
Halten Sie sich bitte zur Verfügung!«
Drei Minuten später startete der Hubschrauber. Wie ein überdimensionales,
urweltliches Insekt schwirrte er in der Nacht davon, Richtung Oslo.
Larry hielt sich nicht länger am Treffpunkt auf. Er raste auf dem
schnellsten Weg zur Insel zurück. Diesmal benötigte er nur anderthalb Stunden.
Es war vier Uhr morgens, als der Lotus am Ufer vor dem Bungalow ausrollte.
Sofort sah Larry, daß etwas verändert war. Das Motorboot fehlte.
Die erste Überlegung des Amerikaners ging dahin, daß Thor Haydaal gemeinsam
mit dem inzwischen unterrichteten Kommissar Berndson die Kiste mit Marnes
Statue weggeschafft hatte, um sie wieder an Ort und Stelle zu bringen.
Doch dann merkte er, daß an dieser Überlegung etwas nicht stimmte. Der Weg
nach Kjerringöy war im Vergleich zur Fahrt, die er hinter sich hatte, ein
Katzensprung. Wenn Haydaal unmittelbar nach Larry Brents Abfahrt die Sache in
die Hände genommen hatte, dann müßte er doch längst wieder zurück sein! Larry
erkannte, daß hier etwas faul war.
Er suchte das ganze Haus und den angrenzenden Schuppen nach dem
sympathischen Reporter ab.
Keine Spur von ihm! Thor Haydaal war verschwunden!
●
Sie kam zu sich, war in den ersten Minuten aber noch so benommen, daß sie
nicht begriff, was eigentlich ihrem Sturz vorausgegangen war.
Elin Holtsen tastete nach ihrem Hinterkopf, während sie sich erhob. Sie
stützte sich an der Säule ab und starrte in das dämmrige Gewölbe. Sie erinnerte
sich wieder an alles. Durch den Sturz auf den Sockel war es abermals zu einem
Schock gekommen. Die Gedächtnislücke, unter der sie nach dem Unfall litt, war
geschlossen.
Elin Holtsen merkte, wie die Angst ihren Nacken hochkroch, als sie die
unheimlichen, versteinerten Gestalten sah, die sie umgaben. Unwillkürlich warf
sie einen Blick hinüber in die Nische, wo zwei dicke, dunkle Kerzen brannten:
Die hockende Gestalt
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