043 - Der Mann von Marokko
»hatte eine kleine Auseinandersetzung . . . 'ne abstrakte Frage über Metaphysik . ..« Er konnte kaum sprechen.
Jim betrachtete ihn genauer. Es war der junge Mann, der damals in der Gewitternacht zu ihm gekommen war.
»Hallo, mein Freund, Sie haben aber noch einen weiten Weg nach Hause.« Dann besann er sich, daß er ja eigentlich nicht erkannt werden wollte. Der Betrunkene war jedoch dazu gar nicht in der Lage.
Das Mietauto wartete, und als Jim sah, daß sich schon Menschen um sie ansammelten, zog er den Mann schnell in das Innere des Wagens.
»Fahren Sie nach Long Acre!« befahl er.
In dem ruhigsten Teil der Straße ließ er halten und führte seinen Begleiter auf den Gehsteig.
»Nun gebe ich Ihnen den guten Rat, nach Hause zu gehen.«
»Nach Hause?« sagte der andere bitter. »Hab kein Zuhause! Keine Freunde - kein Mädel!«
»Vielleicht ist das ganz gut - für das Mädel«, erwiderte Jim ungeduldig, denn die Zeit drängte.
»So - meinen Sie? Ich nicht... ich möchte sie bloß noch mal erwischen, nachdem sie mich so schlecht behandelt hat - die bringe ich um - sicher, die bringe ich um!«
Sein blasses Gesicht war von Wut verzerrt, und plötzlich brach er hilflos in Tränen aus.
»Sie hat mein Leben ruiniert!« schluchzte er. »Und ich kenne sie nicht einmal . . . kenne nur ihren Vornamen und weiß nur, daß ihr Vater Lord ist... sie hat eine kleine Narbe auf der Hand -«
»Wie heißt denn die junge Dame - die ihr Leben ruiniert hat?« fragte Jim heiser.
»Joan - sie hat mich ins Unglück gebracht - wenn ich sie finde, ist es zu Ende mit ihr!«
28
Marborne spielte in letzter Zeit den großen Herrn und besuchte die teuersten Lokale. Als er eines Abends nach einem üppigen Mahl etwas bezecht nach Hause kam, wurde er plötzlich wieder nüchtern. Er hatte das Licht im Schlafzimmer angedreht und sah mit starrem Blick zu dem Geldschrank hinüber, den er sich angeschafft hatte. Die Tür hing nur noch an einem Gelenk, und der Schrank selbst war leer . . .
Nachdem er sich von seinem Schrecken etwas erholt hatte, durchsuchte er in aller Eile den Raum. Es war ihm sofort klar, wie der Dieb hereingekommen war. Er mußte auf der Feuerleiter nach oben gestiegen und durch das Fenster des Schlafzimmers eingedrungen sein.
Marborne stürzte hinunter und riß die Haustür auf. Auf dem Gehsteig stand Captain Welling, er hatte die Hände auf den Rücken gelegt und schaute unentwegt zu den erleuchteten Fenstern der Wohnung hinauf.
»Kommen Sie mit!« schrie Marborne erregt.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte der Beamte, als er näher trat. »Es ist doch merkwürdig, daß ich gerade in diesem Augenblick hier sein muß.«
»Ich bin bestohlen worden - ausgeplündert!« rief Marborne. »Man hat meinen Geldschrank erbrochen . . ,«
Er stieg die Treppe wieder hinauf und redete zusammenhangloses Zeug.
Welling untersuchte den Safe.
»Der Mann hat gründliche Arbeit geleistet. Am besten rühren Sie den Schrank bis morgen nicht an. Ich will ihn fotografieren lassen, um eventuell Fingerabdrücke zu entdecken.«
Er ging zum Fenster und stieg auf der Feuerleiter hinunter.
»Oh, was ist dies?« fragte er und nahm einen Gegenstand auf, der auf dem eisernen Podest zu seinen Füßen lag. »Ein Baumwollhandschuh! Dann hat es auch keinen Zweck, nach Fingerabdrücken zu suchen.« Er stieg wieder hinauf und betrachtete den Handschuh genauer unter der elektrischen Lampe.
»Daran kann man gar nichts sehen, selbst wenn man sich größte Mühe gäbe. Ich fürchte, der Mann ist gut davongekommen. Wieviel Geld haben Sie verloren?«
»Zwischen zwei- und dreitausend Pfund!« schluchzte Marborne.
»Sonst noch etwas?« Welling sah ihn scharf an.
»Was hätte ich denn sonst noch verlieren sollen?« fragte Marborne plötzlich rauh. »Ist es denn nicht genug, wenn einem zweitausend Pfund gestohlen werden?«
»Hatten Sie nicht noch Bücher oder Dokumente in Ihrem Schrank?«
»Nein, nicht im Schrank«, erwiderte Marborne schnell. »Auch sonst nirgends.«
»Es sieht so aus, als ob es der Schwarze gewesen ist«, meinte Welling fast belustigt und ging wieder zum Safe. »Ich wüßte gar nicht, wer es sonst so gut hätte machen können. Haben Sie Telefon?«
»Im Wohnzimmer.«
Welling telefonierte lange mit dem Yard und ging dann in das Schlafzimmer zurück, um nach Anhaltspunkten zu suchen. Er wußte aber schon im voraus, daß seine Arbeit ohne Erfolg sein würde.
Der Dieb war offenbar nicht mit dem Geld zufrieden gewesen, das er im Safe
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