043 - Der Mann von Marokko
hat?«
»Soviel ich weiß, erpreßt er ihn, weil er ein Dokument hat, das für Hamon sehr belastend ist. So sehe ich wenigstens den Fall an.«
»Mysteriöse Angelegenheit, die ich nicht verstehe. Da ist also ein Dokument, das Sie haben wollen und das nach Ihrer Behauptung Marborne besitzt. Wenn dieses Schriftstück in die Hände der Polizei oder des Gerichts fiele, würde das für Hamon katastrophale Folgen haben. Habe ich bis dahin alles richtig gesagt?«
»Ja, soweit wie möglich.«
»Nun gut.« Welling legte die Spitzen der Finger zusammen. »Also zuerst haben wir ein Dokument oder einen Brief, ein Protokoll oder so was Ähnliches, dessen Bekanntwerden, sagen wir einmal, Hamon in eine böse Lage bringt. Warum in aller Welt vernichtet der Mann dieses Dokument nicht?«
Ein feines Lächeln zeigte sich auf Jims Zügen.
»Weil er eben wie ein Affe ist. Er hat seine Hand in die Kürbisflasche gesteckt, hat die Frucht darin ergriffen und kann nun die Hand nicht herausziehen, ohne seine Beute fahrenzulassen.«
»Ich habe zwar gehört, daß er ein Geizhals ist - aber warum bewahrt er denn eine Sache auf, die ihn -« »An den Galgen bringt«, ergänzte Jim.
Welling machte ein ernstes Gesicht.
»Ist es wirklich so schlimm? Ich ahnte es. Der Mann ist verrückt. Für eine solche Wahnsinnstat gibt es überhaupt keinen Präzedenzfall in der Geschichte der Justiz. Ein Mann mag solch ein Dokument aufheben, weil er nachlässig ist, oder weil er es vergessen hat - aber absichtlich! Hat er es denn geschrieben?«
»Nein, ein anderer. Es enthält eine Anklage, daß er einen großen Betrug plante und jemand zu ermorden versuchte.«
»Ich gebe es auf, diese Sache zu entwirren«, meinte Welling und schüttelte den Kopf. »Aber unter allen Umständen wird es Hamons Untergang sein.«
»Er ist übrigens schon wieder hier.«
Jim hatte Welling gern, und unter gewöhnlichen Umständen hätte er sich über seine Gesellschaft gefreut, aber jetzt war er nicht in der Stimmung, Menschen um sich zu haben, und er war froh, als der Detektiv ging. Die Erklärung Joan Carstons hatte ihn sehr mitgenommen. Er glaubte jetzt, daß sie die Wahrheit gesagt hatte. Mit ihm würde sie nicht spielen. Zweimal ritt er an diesem Tage noch zu Mrs. Cornford und fragte nach dem Patienten.
»Es geht ihm sehr schlecht, aber der Arzt hat Hoffnung.«
»Wissen Sie eigentlich Genaueres über Mr. Farringdon?«
»Ich weiß nur wenig. Er hat fast keine Freunde. Ein Anwalt aus der Stadt zahlt ihm pünktlich eine Rente aus. Wenn ich nur wüßte, wie ich seine Verwandten benachrichtigen kann, aber er spricht von nichts anderem als diesen Mitternachtsmönchen, und der einzige Name, den er außer dem eines Mädchens erwähnt, ist Bannockwaite. Er kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich kann nicht sagen, woher ich ihn kenne.«
Jim hatte den Namen auch schon gehört, besann sich aber nur darauf, daß er mit irgendwelchen unangenehmen oder bösen Dingen verknüpft war. Plötzlich kam ihm ein Einfall. Welling hatte ihm gesagt, daß er noch einen oder zwei Tage im Dorf bleiben wolle. Jim ritt also zum ›Roten Löwen‹, wo der Beamte sein Quartier aufgeschlagen hatte und fand ihn vor einem großen Bierglas sitzend.
»Kennen Sie einen gewissen Bannockwaite?«
»Früher kannte ich einen Mann dieses Namens«, entgegnete der Detektiv sofort. »Er war ein furchtbares Rauhbein. Erinnern Sie sich nicht an den Fall? Ein junger Geistlicher, der sich unmöglich machte und aus der Kirche ausgeschlossen wurde? Er hatte eigentlich nicht viel verbrochen, er war von Natur ein Teufel, und es gibt keinen größeren Fehler, als die geistliche Karriere einzuschlagen, wenn man nicht dazu berufen ist. Später war er in eine Falschspieleraffäre verwickelt und geriet auch in unsere Hände. Aber es wurde keine Klage gegen ihn erhoben. Bei Kriegsausbruch meldete er sich freiwillig, erhielt das Victoriakreuz und fiel an der Somme. Vielleicht erinnern Sie sich an ihn in Verbindung mit einer der Geheimgesellschaften, die er gründete.«
»Welche Geheimgesellschaften meinen Sie?«
»Als er noch auf die Schule ging, hat er mit einer solchen Geschichte nicht nur seine Kameraden in Verwirrung gebracht, sondern auch noch ein Dutzend andere Institute.«
»Auf welcher Schule war er denn? Aber das werden Sie wohl nicht wissen.« »Zufällig weiß ich es noch. Es war Hulston - das ist eine große Schule in Berkshire.«
Jim ging nach Hause und schrieb an den Schuldirektor in Hulston.
Spät am
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