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043 - Der Mann von Marokko

043 - Der Mann von Marokko

Titel: 043 - Der Mann von Marokko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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geschlossen war. Sie öffnete es und staunte über die Schönheit und Pracht des weiten Tales. In der Ferne konnte sie das Meer erkennen, und am Horizont tauchte der düstere Felsen von Gibraltar auf.
    Im Tal bewegte sich etwas. Sie hielt die Hand vor die Augen, um sie gegen die hellen Sonnenstrahlen zu schützen. Es war der Bettler, der wohl nach Tanger zurückritt.
    Sie schloß das Fenster, ging zum Eingang zurück und drückte auf die silberne Klinke. Zu ihrem Erstaunen gab sie nach, und eine große weite Halle öffnete sich vor ihr. Auch die Pendeltüren, die ins Freie führten, waren nicht verschlossen. Offensichtlich ließ man ihr hier also größere Freiheit, und sie war dankbar dafür.
    Aber als sie in den Garten kam, erkannte sie, daß es hoffnungslos war, von hier entkommen zu wollen. Die Mauern waren selbst für ein maurisches Haus ungewöhnlich hoch. Oben waren sie mit unzähligen Glasscherben belegt, die im Sonnenlicht glitzerten und daran erinnerten, daß jeder Fluchtversuch vergeblich sein würde.
    Trotz ihres festen Vorsatzes, tapfer zu bleiben, ging sie langsam und niedergeschlagen in das große Zimmer zurück, das augenscheinlich für sie reserviert war.
    Ralph Hamon hatte Nachricht von dem Gelingen der Flucht erhalten und ritt nun quer durch das unebene Gelände. Er triumphierte, daß er sein Ziel soweit erreicht hatte, und sein Blick ruhte wohlgefällig auf dem weißen Haus in den Bergen.
    Dort war Joan Carston endlich sein eigen in des Wortes wahrster Bedeutung. Er hatte vorher in Tanger noch eine geheime Unterredung mit Mr. Bannockwaite gehabt, die auch zu seiner Zufriedenheit ausgefallen war.
    Sadi Hafis ritt an Hamons Seite, aber er war lange nicht so froh gestimmt wie dieser. Er schaute düster drein und hatte noch kaum ein Wort gesprochen.
    »Wir werden bald nach Sonnenuntergang dort sein«, sagte Ralph.
    »Mag der Himmel wissen, warum ich überhaupt mitkomme«, erklärte Sadi unwirsch. »Sie haben all meine Angelegenheiten zu einem schlechten Ende gebracht!«
    »Beruhigen Sie sich doch. Lydia hatte einen Aufenthalt in Lissabon. In ein paar Tagen ist sie hier. Ach, Joan ist wirklich außergewöhnlich schön«, rief er begeistert.
    »Würde ich sonst diese beschwerliche Reise machen?« fragte Sadi kühl.
    Ralph Hamon wurde aufmerksam.
    »Nun ja, Sie mögen Ihre Neugierde befriedigen und dann wieder gehen«, erwiderte er kurz. »Sie dürfen ihr Aufmerksamkeiten erweisen, wo sie am Platz sind - aber damit von Anfang an kein Mißverständnis herrscht, diese junge Dame heiratet mich.«
    Der Scherif zuckte die Schultern.
    »Frauen gibt es soviel wie Bettler«, entgegnete er gleichgültig und wies mit dem Kopf nach der wenig anziehenden Gestalt, die ihnen entgegenkam.
    »Almosen, im Namen Allahs, des Allmächtigen und Allgütigen!« murmelte der zerlumpte Greis.
    »Ein zahnloser, alter Teufel«, sagte Hamon und warf ihm eine Kupfermünze hin.
    »Gott gebe dir glückliche Träume!« bedankte sich der Bettler mit singender Stimme und ritt langsam hinter den beiden her. »Mögen dir die Freuden des Himmels sicher sein und die Herrlichkeiten der Propheten! Laß mich unter dem Dach deines Hauses zur Nacht schlafen, denn ich bin ein alter Mann . . .«
    Sadi konnte als Maure diese Bitte mit philosophischer Ruhe und Gleichgültigkeit anhören. Ralph wandte sich zornig um.
    »Mach, daß du fortkommst, du Hund!« brüllte er. Doch der Alte folgte ihnen unentwegt und wiederholte dauernd seine eintönigen Bitten.
    »Lassen Sie ihn schwatzen«, sagte Sadi. »Wozu kümmern Sie sich überhaupt um ihn? Sie kennen doch Marokko lange genug.«
    Der Bettler hielt sich ständig in einiger Entfernung von ihnen, und erst als sie ihm die Tür vor der Nase zuschlugen, kehrte er schimpfend und unzufrieden um. Später sah Ralph, daß das Pferd in der Umgebung graste.
    Eine blaue Rauchwolke stieg aus den Büschen zum Himmel auf, wo der Alte sein Lager bereitete.
    Ralph Hamon hatte noch eine unangenehme Aufgabe vor sich, und er hatte es nicht besonders eilig, sie zu lösen. In einem kleinen Raum hinter der Halle speiste er mit Sadi zu Abend.
    »Sie sind aber kein eifriger Liebhaber«, meinte der Araber. »Haben Sie sie schon gesehen?«
    »Sie kann warten.«
    »Dann werde ich ihr einstweilen meine Aufwartung machen«, erwiderte Sadi schmeichlerisch. »Sie sind kein Muselman, und ich denke, die junge Dame wird beruhigt sein, wenn sie einen wirklichen maurischen Edelmann kennenlernt und erfährt, daß wir auch gute Sitten

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