Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
043 - Der Teufelskreis

043 - Der Teufelskreis

Titel: 043 - Der Teufelskreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Wolf
Vom Netzwerk:
den Hüften in eine Decke gehüllt waren. Als die Decke verrutschte, sah Dorian, daß es sich um Prothesen handelte.
    Der Mann ohne Beine fuhr im Rollstuhl in den Friedhof hinein. Morton rannte an Dorian vorbei und ihm nach. Er begrüßte ihn, schüttelte ihm die Hand und wandte sich dann Dorian zu.
    „Ein alter Bekannter“, erklärte er kurz.
    Er traf noch einige alte Bekannte auf dem Weg zur Aufbahrungshalle. Sie hatten alle irgendeinen körperlichen Makel, waren Krüppel, Mißgeburten oder Zwerge. Ansonsten entstammten sie den verschiedensten Gesellschaftsschichten; manche trugen Lumpen, andere waren vornehm oder gutbürgerlich gekleidet.
    Da Morton schwieg und Dorian nicht von sich aus die Sprache auf diese Leute bringen wollte, fiel zwischen ihnen kein Wort, bis sie die Aufbahrungshalle erreicht hatten.
    „Wir sind spät dran“, stellte Morton fest, als die Sargträger aus dem kleinen Gebäude herauskamen. Sie hatten den Sarg zwischen sich auf ein elektrisch betriebenes Wägelchen aufgebahrt. Links und rechts davon standen die Mißgestalteten Spalier. Nachdem die Sargträger an ihnen vorbei waren, folgten sie dem Sarg.
    Es war die seltsamste Prozession, die Dorian jemals gesehen hatte. Ihr gehörten Männer ohne Arme an, Männer, die auf Krücken gingen, Männer mit entstellten Gesichtern. Es waren durchwegs Männer. Keine einzige Frau folgte dem Sarg.
    Dorian entdeckte gleich hinter dem Sarg einen Mann, der sein Gesicht hinter einer Gummimaske verbarg. Er blickte in ihre Richtung, und Morton nickte ihm leicht zu.
    Ein anderer mit viel zu kurzen Beinen, einem tonnenförmigen Körper und einem kahlen Pyramidenschädel trat auf Morton zu, drückte ihm inbrünstig die Hände und sagte mit schmerzerfüllter Stimme: „Wir werden Jimmys Tod rächen, Tim!’’
    Nachdem der letzte der Mißgestalteten an ihnen vorbei war, setzte sich auch Morton in Bewegung. Dorian konnte nicht mehr länger schweigen.
    „War James Moore einer von ihnen?“ fragte er und suchte nach dem richtigen Ausdruck für die vom Schicksal gezeichneten Menschen.
    „Mißgeburten“, sagte Morton an seiner Stelle. „Sprechen Sie es nur aus, Dorian! Diese Männer wissen, daß sie Mißgeburten sind.“
    „Ich wollte niemanden beleidigen“, sagte Dorian. „Ich wollte diesen Ausdruck nicht verwenden. Er klingt entwürdigend.“
    „Ich weiß, daß Sie ihn nicht verwenden wollten“, entgegnete Morton, während sie der seltsamen Prozession folgten, „aber Sie können es ruhig tun. In unserer Sprache ist er längst kein Schimpfwort mehr. Diese Männer akzeptieren, daß sie Außenseiter der menschlichen Gesellschaft sind, und nennen sich selbst so. Ja, James Moore war einer von ihnen. Und Roul Schwartz gehört auch dazu. Wenn er von Jimmys Tod wüßte, wäre er sicherlich von Hollywood hergekommen, um an seinem Begräbnis teilzunehmen.“
    „Was verbindet Sie mit diesen Leuten, Tim?“ erkundigte sich Dorian.
    Morton schwieg eine Weile, dann sagte er: „Viel, Dorian. Mehr, als Sie ahnen können. Um es kurz zu sagen: Diese Leute sind meine Helfer, meine heimliche Armee im Kampf gegen das Dämonenunwesen. Darüber hinaus verbindet mich aber noch mehr mit ihnen. Aber das läßt sich nicht in wenigen Worten erklären. Sie werden es schon von selbst herausfinden, Dorian.“
    Dorian fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Nicht, daß ihn die Mißgestalten abstießen. Im Gegenteil, er bedauerte sie, und sein Mitgefühl gehörte ihnen. Für sie war es sicherlich nicht leicht, sich unter den gesunden Menschen zu behaupten. Aber Dorian fühlte auch, daß er hier nicht hergehörte. Er war ein Fremdkörper. Und er glaubte auch die Ablehnung zu spüren, die ihm die Krüppel entgegenbrachten.
    „Tim“, sagte er unbehaglich, „ich glaube, daß es besser wäre, wenn ich vor dem Friedhof auf Sie warte. Ich bin hier fehl am Platz. Diese Leute werden es sicherlich als störend empfinden, wenn ich an ihren Trauerfeierlichkeiten teilnehme.“
    Morton ergriff ihn am Oberarm und zog ihn mit sich.
    „Sie haben ein gutes Beurteilungsvermögen, Dorian“, sagte er mit leichtem Lächeln. „Ich hätte nicht geglaubt, daß Sie so feinfühlig sind. Einen anderen hätte der Kampf gegen die Dämonen schon längst abgestumpft. Sie haben richtig erkannt, daß die Mißgeburten Sie nicht akzeptieren. Aber ihre Ablehnung wird sich in Zuneigung verwandeln, wenn sie erfahren, daß Sie sich in den Dienst der Dämonenbekämpfung gestellt haben.“
    Dorian verbarg sein Unbehagen

Weitere Kostenlose Bücher