0430 - Die Hexe mit der blauen Kobra
lag der Rand des Blocks.
Plötzlich tauchte er auf. Da erkannte ich seine Absicht. Er mußte sich auf dem Hausdach gut auskennen.
Nicht weit vom Rand des Daches entfernt befand sich ein kleiner gemauerter Aufbau mit einer eisernen Tür. Sie glich der, durch die Rivers am anderen Ende des Wohnblocks auf das Dach entkommen war.
Er rannte darauf zu.
Ich sah, wie seine Hände zur Tür griffen, und beschleunigte mein Tempo.
Er zog an dem Türknopf.
Die Tür war verschlossen!
Er drehte sich langsam herum. Keuchend sah er mich an. Ich war heran und hielt ihm meinen 38er hin.
»Nimm die Hände hoch, Rivers«, sagte ich, »und keine falsche Bewegung!«
Eric Rivers gab auf.
***
»Du hast gewonnen, G-man«, keuchte er und faltete die Hände über dem Kopf zusammen. »Doch eins sage ich dir jetzt schon, mit den Morden habe ich nichts zu tun.«
»Das wird sich noch heraussteilen«, meinte ich und tastete ihn schnell ab.
Er trug keine Waffe bei sich.
In der Eisentür drehte sich ein Schlüssel. Die Tür ging auf.
Phil stürmte auf das Dach. Hinter ihm folgte ein dicker Italiener mit öligen Haaren. Er war nur mit Hemd und Hose bekleidet. In seinen abgetretenen Pantoffeln kam er zögernd näher. Es war der Hausmeister des Endblocks. Phil hatte schnell geschaltet und war mit ihm zum Dach hochgelaufen.
Wir gingen wieder hinunter und nahmen Rivers in die Mitte.
In der Via Dante wartete eine Menschenmenge auf uns. Unser Kollege bahnte uns einen Weg durch die Gaffer.
Wir führten Rivers über die Straße. Eine Menschentraube aus schwarzhaarigen, wild durcheinander sprechenden Köpfen folgte uns. Sie bröckelte immer mehr ab, je weiter wir gingen.
An der Ecke der Via Dante stand ein alter Leierkastenmann. Er vergaß an der Kurbel zu drehen, als wir vorbeimarschierten. Sein struppiges Gesicht starrte uns an. Vor ihm auf dem Orgelkasten hockte ein kleiner Affe in einer sandfarbigen GI-Miniaturuniform. In den Pfoten hielt er eine winzige Blechschüssel zum Geldeinsammein. Da die Pfeifen der Orgel schwiegen, hatte er auch das Tanzen eingestellt. Der alte Bettler, der einen zerschlissenen Tirolerhut auf dem Kopf trug und in einer abgeschabten Kluft steckte, hielt dem Affen eine Erdnuß hin.
Phil nahm hinten Platz und übernahm die Bewachung von Rivers, der neben mir saß.
Wir fuhren zum Headquarter.
Dort wartete eine Überraschung auf uns. Am Glaskasten an der Eingangspforte stand Pixie, der Chinese. Da Phil und ich im Augenblick mit Eric Rivers zu tun hatten, überließ ich ihn einem Kollegen.
Phil und ich führten Rivers ins Besprechungszimmer.
»So, Rivers, jetzt sing dein Lied«, forderte ich den ehemaligen Privatdetektiv auf, als wir saßen.
»Ich weiß nicht, was ihr von mir wollt«, murrte er und spielte den Ärgerlichen.
»Es gibt einen Haufen Indizien, die gegen dich sprechen. Deshalb würde ich an deiner Stelle mit der Wahrheit herausrücken.«
»Ich weiß nicht, was ihr von mir wollt. Mit Mord habe ich nichts zu tun. Wie oft soll ich euch das noch erklären?«
»Rivers, nimm Vernunft an«, warf Phil ein, »du bist als ehemaliger Private Eye sozusagen aus unserer Branche. Darum müßte dir einleuchten, wenn wir dir empfehlen zu reden. Wir wissen einiges über dich. Allein die Geschichte mit Roy Hunter könnte sehr unangenehm für dich werden. Du hast ihn aus seiner Werkstatt abgeholt und zu dem Wolkenkratzer gefahren. Du hast das Gebäude durch den Hinterausgang verlassen, er stürzte vom Dach.«
»Wer hat euch das gesagt?«
»Das ist uninteressant, Rivers«, meinte ich. »Auf jeden Fall wissen wir davon. Uns ist auch etwas von dem Auftrag bekannt, den du übernommen hast.«
Er starrte uns an. Selbst das kleinere linke Auge vergrößerte sich. Mit dem Handrücken wischte er über die niedrige Stirn. Dort glänzten Schweißtröpfchen auf.
Ich spürte, er wurde langsam weich wie Kaugummi.
Doch es dauerte noch lange, bis wir ihn dort hatten, wohin er sollte. Wir erfuhren, warum er den Zähen und Schweigsamen spielte. Es ging um Geld und um seine Zukunft, genauer gesagt, um seine Lizenz als Privatdetektiv, die er wiedererlangen wollte.
»Versteht mich doch bitte«, sagte er, als er schließlich ausgepackt hatte, »ich habe doch gar nicht gewußt, was für eine Lawine auf mich zurollte. Es begann doch alles so harmlos. Ich freute mich, an Geld zu kommen und dazu noch in dem Beruf arbeiten zu dürfen, den ich sehr liebe.«
Wir hörten die zweite seltsame Story eines abgeglittenen Menschen. Sie war wie
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