0430 - Die Hexe mit der blauen Kobra
Marmor befand.
In der Mitte der Halle zog sich eine große Glaswand hin, die die Schwimmanlage von einem kleinen Zoo trennte.
Dort schwirrten zwischen Palmen, Agaven, Kakteen, Manzinillabüschen und anderen tropischen Gewächsen bunte Wellensittiche, Papageien und Kanarienvögel umher. Im Gipfel einer Zwergpalme hockte eine Gruppe von Rhesusaffen, die melancholisch vor sich hin starrten. An der Glaswand krallte sich ein Tukan am Zweig eines Pfefferbaumes fest und äugte durch die Scheibe ins Schwimmbecken.
Ich konnte das Interesse des buntfiedrigen Pfefferfressers verstehen. In der dampfenden Flüssigkeit befand sich das Glanzstück der prächtigen Ausstattung; eine Frau mit tizianrotem Haar.
Sie schwamm auf die Spitze des Herzens zu, wo sich eine schmale Leiter befand.
Als sie aus dem Wasser stieg, wurde mir der Hemdkragen zu eng. Dem Gesicht nach mußte sie 35 sein, der Figur nach zehn Jahre jünger.
Auch mit ihr blieb Toff Golson seiner Vorliebe für Prunk und Größe treu. Die Kurven der Frau füllten den pastellgrünen Bikini, als wäre er maßgeschneidert.
Mit dem wiegenden Gang einer Tahitianerin kam sie auf mich zu. Von der glatten Haut sprühten Wassertropfen auf den roten Marmor.
Ungeniert blieb sie vor mir stehen und musterte mich von oben bis unten, als wären wir auf einer Versteigerung.
Dann sagte sie mit ihrer dunklen Stimme: »So sieht also ein G-man aus!« Sie streckte die Hand aus und deutete auf einen Stuhl an der Wand. »Geben Sie mir doch bitte meinen Bademantel, G-man.« Der Mantel lag auf dem Stuhl, den sie mir angeboten hatte. Ich reichte ihr den Umhang, der seidig glänzte und leise knisterte, als sie ihn überwarf.
»Kommen Sie mit, G-man«, forderte sie mich auf und wanderte auf nackten Sohlen vor mir her über den Marmor. Die tropischen Vögel zwitscherten und lärmten in dem künstlichen Garten. Nur ein Tukan behielt Ruhe. Er äugte hinter uns her, bis wir durch eine zweite Tür verschwanden.
Mrs. Golson führte mich in einen Salon, der mit roten Seidentapeten ausgeschlagen war. Mary, der Hausgeist, erschien. Mrs. Golson wünschte Tee zu trinken.
»Sie trinken doch Tee, nicht wahr… Wie heißen G-men mit Vornamen?« wollte sie dann wissen.
»Ich bin Jerry Cotton«, sagte ich. »Setzen Sie sich, Jerry. Ich heiße Sandra!«
Der Name paßte zu ihr.
Ich versackte in einem rubinroten Plüschsessel, in dem zwei Mann von meiner Figur Platz gehabt hätten, obwohl ich nicht gerade der schmächtigste bin.
»An und für sich wollte ich zu Ihrem Gatten, Mrs. Golson«, begann ich.
»Bubi ist noch nicht da, Jerry.« Sie sprach so selbstverständlich von Bubi, daß ich lächeln mußte. »Was will das FBI von uns?«
Sie bot Zigaretten an. Ich gab Feuer. »An und für sich«, sagte ich, als ich den ersten Zug gemacht hatte, »betrifft es nicht direkt Ihren Gatten, Mrs. Golson.«
»Sondern?« Ihre Türkisaugen sahen mich verschwommen an. Sie konnten einer Katze gehören, die aus Langeweile mit Mäusen spielt.
»Ich bin wegen eines Mannes namens Bill Corner gekommen. Ein Chinese. Er soll bei Mr. Golson angestellt sejn.«
»Ach, Bill, meinen Sie. Ja, er ist bei uns beschäftigt. Er ist eine Art Mädchen für alles, Jerry.« Sie zog die Beine auf den Diwan, auf dem sie wie eine Puppe lag. »Er chauffiert, pflegt und repariert die Wagen, ihm unterstehen die Motorboote, die in unserem Privathafen am Sound liegen.«
Das mit dem »Privathafen« hätte sie an und für sich gar nicht so betonen müssen. Nach dem, was ich bisher gesehen hatte, hätte ich niemals angenommen, Golson und seine Glamourtaube wären je in einem Leihboot gefahren.
»Bill ist ein tüchtiger Mensch«, fuhr sie fort. »Warum befaßt sich das FBI mit ihm?«
»Es handelt sich um eine Routineangelegenheit, Mrs. Golson«, wich ich aus.
»Sie wollen es mir nicht sagen, nicht wahr? Dienstgeheimnis?« Sie lächelte.
»Es sind drei Menschen zu Tode gekommen, Mrs. Golson, das FBI hat die Fälle übernommen.«
Sie sah mich sekundenlang starr an, dann streckte sie die nackten Beine vor und stand auf. »Bill befindet sich am Hafen, wo er eines der Boote repariert. Warten Sie einen Augenblick, ich begleite Sie dorthin. Ich möchte dabeisein, wenn ein G-man arbeitet. Außerdem ist unser Besitz so groß, daß Sie leicht den Weg verfehlen könnten. Ich werde Sie führen.«
»Sehr nett von Ihnen, Mrs. Golson«, sagte ich. Sie verschwand. Als ich die Zigarette gerade ausdrückte, kam sie wieder herein. Sie trug eine rote Nylonbluse
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