0431 - Der Gentleman-Killer
hatte damit gerechnet, einen von diesen drei Direktoren hier wiederzutreffen. Denn einer von ihnen war der Boß und der Mörder. Aber ich hatte nicht daran gedacht, die ganze Bande wiederzutreffen.
Wace Olford, der treue Spießer!
Ich machte einen Schritt auf ihn zu.
Wace Olford beugte sich weit über die Reling und umklammerte die Stahltrossen, als ginge Windstärke 13. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Hallo, Olford, was soll Ihre Frau nur von Ihnen denken?«
Im ersten Moment schien er unter meinem Griff zu erstarren, dann richtete er sich langsam und mit den Bewegungen eines Schlafwandlers auf und sah mich an. Sein Gesicht hatte schon eben die Farbe eines frisch gebleichten Leintuches gehabt. Jetzt war noch ein Ton Grau dazugekommen.
Seine Augen flackerten hinter den Brillengläsern und versuchten vergebens, einen Punkt zu fixieren. Dann bewegten sich seine Lippen, aber erst nach dem zweiten Anlauf schaffte er es, einen Ton herauszubringen.
»Wo ist sie?« stammelte er. Die Whiskyfahne, die mich traf, erstickte mich fast. Olford schien das Gleichgewicht zu verlieren, er klammerte sich an mir fest. Im gleichen Moment hörte ich wieder Schritte und sah am anderen Ende des Decks einen Mann auftauchen. Er trug ein weißes Jackett. Ich drehte mich so, daß Olford mich gegen die Blicke des anderen einigermaßen deckte und wartete ab. Der Mann kam schnell näher. Ich erkannte, daß es ein Kellner war.
»Etwas nicht in Ordnung, Sir?« fragte er mit einer samtweichen Stimme.
»Doch, bringen Sie uns bitte einen Eiskübel und eine Flasche Sekt, wir haben etwas zu feiern.«
Er hob nicht einmal die Augenbrauen, sondern nickte nur kurz und verschwand. Aber wenn ich gedacht hatte, ihn damit los zu sein, hatte ich mich geirrt. Es dauerte keine drei Minuten, als er einen kleinen Teewagen’anrollte, auf dem Gläser, eine Schale Gebäck,und ein großer Eiskübel mit einer Flasche standen.
»Darf ich öffnen, Sir?« fragte er beflissen und versuchte, mich über die schlaffen Schultern von Olford hinweg zu mustern. Ich zog Olford noch etwas höher und sagte freundlich:
»Danke, nein, das mache ich selber am liebsten. Vielleicht können Sie dafür sorgen, daß wir nicht gestört werden.«
»Sehr wohl, Sir!« Der Kellner machte eine leichte Verbeugung und kratzte die Kurve.
Ich ließ Olford los, und er sank schlapp wie ein nasser Nylonstrumpf gegen die Reling. Ich zog ihm das Jakkett und nach kurzer Überlegung auch das Hemd aus und öffnete die Sektflasche. Ich richtete die Flaschenöffnung direkt auf sein Gesicht und wartete, bis der Inhalt verspritzt war. Er schüttelte sich leicht und schien allmählich zu sich zu kommen.
»Hier!« sagte ich und verpaßte ihm eine Eispackung. Er begann wie ein Hund die über sein Gesicht rinnenden Eiswassertropfen aufzuschlecken und schütelte sich noch einmal.
»O Gott, was ist los?« murmelte er.
»Sie waren so betrunken, daß sie nicht mehr aufrecht stehen konnten!« erklärte ich ihm.
»Mein Gott!« seufzte er, dann richtete er sich plötzlich kerzengerade auf und überschaute die Situation.
»Sie sind es! Was haben Sie vorhin von meiner Frau gesagt? Meine Güte, ist sie hier?«
»Nein, aber vielleicht erzählen Sie einmal, was Sie hier machen. Ich finde, Spielschiffe passen nicht recht zu einem biederen Bankchef.«
Er brach zusammen. Und seine Story klang so glaubwürdig, daß ich mich schon aus Zeitmangel entschloß, sie für bare Münze zu nehmen.
Wace Olford wurde von seiner Frau restlos bewundert und auf einen Podest' gestellt, dem er nicht gewachsen war. Sie dachte, er wäre eine große Nummer in der Eastern National Bank, aber er war lediglich ein guter Kaufmann, nicht mehr und nicht weniger. Wirklich Einfluß hatte in der Bank nur ein Mann, Mortimer Hamilton.
Von ihm hatte er auch die Information über die genaue Summe, die angeblich von einem Gangster geraubt worden war, bekommen. Das stützte meine Theorie, daß nur die Hälfte der Summe wirklich gefehlt hatte, die anderen 20000 aber irgendwo in den Büchern fehlten. So raffiniert versteckt, weil vom Boß persönlich gefälscht.
Ted Quingley mußte doch etwas entdeckt haben, er hatte mit Susan Delane darüber gesprochen, aber beide waren sich über ihren Fund nicht sicher gewesen. Sie waren vermutlich zu Hamilton gegangen und hatten damit ihr Todesurteil gesprochen.
Jetzt, nach diesem letzten Überfall und dem Doppelmord, hatte sich Wace Olford, aufgestachelt von seiner Frau, mehr mit den Büchern
Weitere Kostenlose Bücher