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0431 - Kathedrale der Angst

0431 - Kathedrale der Angst

Titel: 0431 - Kathedrale der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Zeit.
    An einem Hinweisschild las ich zum erstenmal den Namen Alet-les-Bains. Trois kilometres. Also drei Kilometer. In den Ort selbst konnte ich nicht hineinschauen. Die Straße wand sich noch um eine vorstehende, breite Bergnase und führte erst dann in das Hochtal hinein, in dessen felsiger Umgebung die kleine Stadt wie ein Spielzeugbau lag.
    So klein wirkten die Häuser, wenn man sie mit den gewaltigen Felstürmen und schluchthohen Wänden verglich.
    Ich sah auch andere Häuser. Moderne Bauten, die man auf die Felsterrassen gesetzt hatte. So sahen Ferienhäuser aus. Wahrscheinlich gehörten sie wohlhabenden Städtern.
    Dann trat ich auf die Bremse, denn aus einer Felsspalte, so schien es mir, war ein Junge gekommen und mitten auf die Straße gelaufen. Dort stand er nun vor dem Auto und grinste mich schief an.
    »Das hätte auch ins Auge gehen können«, sagte ich, als die Seitenscheibe unten war.
    »Nehmen Sie mich mit, Monsieur?«
    »Wohin?«
    »Les Bains.«
    »Steig ein.«
    Der Junge ließ sich neben mir auf den Sitz fallen. Er trug verwaschene Jeans und eine verschossene Jacke. Darunter ein gestreiftes Hemd.
    Sein Haar war so schwarz wie das Gefieder eines Raben, und es wuchs weit bis über seine Ohren.
    »Wollen Sie da auch wohnen?« fragte er.
    »Ja.« Ich ließ den Wagen anrollen.
    »Komisch«, meinte er.
    »Wieso? Was ist komisch?«
    »In den letzten Tagen sind viele Fremde eingetroffen. Keiner weiß, was sie wollen.«
    »Kennst du die genaue Zahl?«
    »Über zehn jedenfalls.« Ich war froh, den Jungen aufgelesen zu haben, und fuhr jetzt langsamer. Die warme Sonne blendete, ich hatte deshalb die dunkle Brille aufgesetzt. »Weißt du denn nicht, was die Fremden wollen?«
    »Keine Ahnung. Sie tun geheimnisvoll.«
    »Wie denn?«
    »Die haben sich in den Gasthäusern einquartiert. Manchmal sieht man sie auf der Straße. Die sehen immer so aus, als würden sie jeden Moment einschlafen.«
    »Kennst du Namen?«
    »Nie gehört.« Er drehte mir seinen Kopf zu. »Sie fragen so komisch, Monsieur. Gehören Sie nicht dazu?«
    »Nein.«
    »Merde, dann habe ich wieder gequatscht. Was wollen Sie denn bei uns in Les Bains?«
    »Die Fremden kennenlernen.«
    »Das glaube ich nicht.« Ich hob die Schultern und wollte wissen, wo man am besten übernachten konnte.
    »Da fahren Sie am besten durch das Dorf. Bei Pierre Virni ist es gut, sagt man.«
    »Gut.«
    »Ich kann da auch aussteigen.«
    »Noch besser.«
    Ich hatte bereits das Ortsschild passiert. Alet-les-Bains war ein typisches Gebirgsnest mit engen Straßen und überwiegend grauen Steinhäusern, die schon sehr alt aussahen.
    Geschäfte sah ich ebenfalls. Die Schaufenster waren so volldekoriert, wie man es vor zwanzig Jahren schon hatte. Regelrechte Kramläden waren das, wo der Bienenstich neben dem Waschlappen stand und beide wiederum von der Kernseife eingerahmt wurden.
    Die Hauptstraße war wenigstens zum Teil gepflastert, trotzdem wirbelten die Reifen meines Wagens noch genug Staub auf.
    Rechts und links zweigten die Gassen ab. Sie wanden sich zumeist in Schlangenlinien in die Höhe und verschwanden irgendwo zwischen den Felsen oder endeten vor einem der Ferienhäuser.
    Vor manchen Häusern saßen die Bewohner auf ihren Bänken und ließen sich von der Frühlingssonne bescheinen.
    Ich fuhr ziemlich langsam, weil ich noch Fragen hatte. »Wo wohnen denn die Fremden genau?«
    »Überall verteilt.« Der Junge hüpfte nach rechts. »Sie müssen jetzt in die nächste Straße einbiegen. Sie führt etwas bergauf. Da ist das Gasthaus von Pierre Virni.«
    Ich setzte den Blinker. Der Begriff Straße war übertrieben. Eine schmale Gasse öffnete sich, die jedoch nach einer Kurve an Breite zunahm, so daß sich zwei Wagen begegnen konnten, ohne einander zu berühren.
    Am Ende der Kurve spielten Kinder, ich fuhr noch langsamer und hatte Zeit, einen Blick auf den schmalen rechten Gehsteig zu werfen, wo ein Mann stand.
    »Das ist einer der Fremden«, erklärte mein junger Begleiter. Ich sah genauer hin. Der Mann trug dunkle Kleidung. Seih Bart bewegte sich im Wind. Er hatte einen Hut aufgesetzt und die Krempe vorgeschoben, so daß nicht viel von seinem Gesicht zu erkennen war. Weshalb er seinen Hut gerade in diesem Augenblick zurechtrückte und mehr von seinem Gesicht freigab, wußte ich auch nicht, aber ich hatte das Gefühl, den Mann zu kennen. Irgendwo war er mir schon einmal über den Weg gelaufen.
    Aber wo?
    »Ich kann hier aussteigen!« Die Stimme des Jungen riß mich aus meinen

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