0432 - Magico
normal.
Wieso reagierte mein Kreuz?
Zum Glück hinterläßt das Brennen auf meiner Brust keine Wunden, sonst hätte ich mich schon sehr oft verbrannt. Auch ich sah zur Uhr.
Noch knapp eine Stunde blieb mir bis zum Start. In dieser Spanne konnte einiges passieren.
Ich war natürlich hellwach geworden und hatte zudem das Gefühl, innerlich immer mehr aufgeputscht zu werden. Jetzt arbeitete mein Alarmwecker auf Hochtouren, und als mich der Mixer nach einer weiteren Bestellung fragte, nahm ich noch ein Mineralwasser. Er stellte eine bauchige Flasche Perrier vor mir ab und goß ein. Dabei sah er mich an.
Seine Augen waren dunkel. Dennoch wurde ich an Harry, den Keeper aus Cannes erinnert, der uns einigen Ärger bereitet hatte, weil er seinen vom Teufel gemixten Höllen-Cocktail verkaufte. [1]
War dieser schmalschultrige Mann ein Dämon?
Er zog sich mit einem gleichgültig wirkenden Nicken zurück, ich trank das Wasser und wartete ab.
John…
Die Stimme war wie ein streichelnder Hauch, und fast hätte ich mich verschluckt.
Die Stimme gehörte Jane Collins!
Ich hatte das Glas wieder hingestellt, hielt es noch mit meiner Hand umschlossen, weil ich auf eine Wiederholung des Rufs wartete und mich nicht bewegen wollte.
Ich wartete vergeblich und »rief« gedanklich nach Jane, um so möglicherweise einen Kontakt herzustellen, was mir schon des öfteren gelungen war. Die ehemalige Hexe meldete sich jedoch nicht.
Dennoch wollte ich nicht an eine Einbildung glauben, irgend etwas von Jane Collins mußte sich in der Nähe befinden, ein Stück ihrer Seele vielleicht, ihres eigenen Ichs, das auf Wanderschaft gegangen war.
Ich rutschte vom Hocker und beglich die Rechnung.
»Guten Flug!« wünschte mir der Mann hinter der Bar. Ich bedankte mich und ging. Der Trubel in der Flughafenhalle nahm mich auf, so daß ich das Gefühl hatte, mich in einer völlig anderen Welt zu befinden. Ein wenig unsicher ging ich die ersten Schritte, noch immer dachte ich über die Warnung meines Kreuzes nach und natürlich auch über Jane Collins Stimme.
Oder hatte ich mich doch getäuscht?
Nein, eigentlich nicht. Sie war so deutlich und klar gewesen, trotz ihrer geringen Lautstärke.
Jane hatte mir, obwohl sie entführt worden war und ich nicht wußte, wo sie sich befand, etwas mitteilen wollen.
Ich orientierte mich dorthin, wo die Wartesessel standen. Das Leder glänzte schwarz, als hätte man es mit einer Creme eingerieben. Ich war nicht der einzige, der dort seinen Platz fand und die Beine ausstreckte.
Fast die Hälfte der Sessel war besetzt. Die Normaluhr unter der Decke war gut zu sehen..
Ein Aschenbecher stand in Reichweite. Ich zündete mir eine Zigarette an und schaute versonnen dem Rauch nach, der sich dort zusammenballte, wo der dunkelhäutige Mann erschien, der schon in der Bar neben mir gestanden hatte.
Er erkannte mich, nickte mir kurz zu und nahm dann neben mir Platz.
Wir kamen ins Gespräch, und ich erfuhr, daß er Ken Obano hieß und aus Südafrika stammte.
Obano hatte zwar eine dunkle Hautfarbe, war aber kein sehr negroider Typ. Seine Gesichtszüge glichen eher dem eines Europäers.
»Sie fliegen auch nach London?« fragte er mich. »Ja.«
»Geschäftlich?« wollte er wissen. »Ich wohne dort.«
Er lächelte. »Dann können Sie sich ja auf Ihre Heimat freuen, Mr. Sinclair.«
Ich drückte die Zigarette aus. »So schlimm ist es nicht. Ich war nur wenige Tage in Frankreich.«
»Wo wir leider auch noch keinen Frühling haben«, beschwerte sich der Afrikaner und zog die Revers seines Kamelhaarmantel demonstrativ enger.
Da haben Sie recht. »John… Magico kommt!« Da war die Stimme wieder! Der Hauch aus dem Unsichtbaren. Ich beugte mich vor, mein Gesicht verzerrte sich, und der Mann neben mir wurde aufmerksam.
»Haben Sie etwas?« fragte er.
»Nein, es geht schon.« Ich sprach in das plötzliche Brennen des Kreuzes hinein und stand auf. Magico!
Ich hatte den Namen deutlich verstanden und prägte ihn mir ein, Zwei Schritte ging ich vor, drehte mich wieder um und blickte Ken Obano an. Er saß noch immer an der gleichen Stelle. Aber er hatte sich verändert. Auf seinen Schultern wuchsen zwei Köpfe!
***
Jane Collins spürte die Schmerzen in den Gelenken. Sie hatte von Vincent van Akkeren eine Antwort erhalten, die sich aus dem Wort Magico zusammensetzte, aber sie wußte nicht, was sie damit anfangen sollte. So starrte sie in das Gesicht des Mannes, der den Unglauben in ihren Augen las.
Er lächelte breit und kalt.
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