0432 - Sein Todfeind war ein flottes Girl
ich.
»Blut!« wiederholte das Mädchen. Sie wankte zur Couch und ließ sich in eine mit Kissen beladene Ecke fallen. »Blut!« Sie war leichenblaß.
»Es ist schon eingetrocknet«, stellte ich fest und hob den Teppich an. Ich schaute mich um. In der Nähe der Tür sah ich zwei weitere Flecken. Ich ging in die Diele.
Der quadratische Raum war mit anthrazitfarbigem Teppichboden ausgelegt. Es war schwer, darauf irgendwelche Flecke auszumachen, aber ich fand sie schon bald — in unmittelbarer Nähe der Wohnungstür.
Ich warf einen Blick ins Schlafzimmer, in die Küche und ins Bad. Die Wohnung machte einen sauberen, aufgeräumten Eindruck. Ich ging zurück ins Wohnzimmer. Das Mädchen stand an einem geöffneten Wandschrank und mixte sich einen Drink.
»Wollen Sie auch einen?« fragte sie, ohne sich umzudrehen. »Ich brauche jetzt eine Stärkung.«
»Nein, danke«, sagte ich und stellte überrascht fest, daß das Mädchen sich beruhigt hatte. Die Nervosität schien einer gewissen Apathie gfewichen zu sein. Rosy Freddard ging zur Couch und nahm darauf Platz. Das Getränk in ihrem Glas war giftgrün — anscheinend Creme de Menthe.
»Er ist tot«, murmelte sie und starrte an mir vorbei ins Leere. Sie sagte es so ruhig und gelassen, als würde sie sagen: ›Das Wetter könnte heute abend besser sein‹.
Ich setzte mich. »Tot?« fragte ich. »Wie kommen Sie darauf?«
Das Mädchen nahm einen Schluck aus dem Glas. Die Bewegung erinnerte leicht an den starren Mechanismus einer Puppe. »Ich spüre es«, sagte sie.
»Ein paar Blutflecke sollten Sie nicht zu so dramatischen Schlußfolgerungen veranlassen«, sagte ich beruhigend.
Rosy Freddards Blick blieb auf einen unsichtbaren Punkt im Raum fixiert. »Es ist nicht nur das.«
»Sondern?«
»Alles zusammengenommen.« Sie sprach leise, aber deutlich. »Ich habe es auf mich zukommen sehen.«
»Wollen Sie sich nicht genauer erklären?«
»Sie würden mir ja doch nicht glauben.«
»Ich kann mich darum bemühen. Ich bin ein guter Zuhörer«, versicherte ich. »Und ein gefährlicher!«
»Wieso?«
»Das fragen Sie noch?« Jetzt blickte sie mich an. »Sie sind FBI-Agent. Aus allem, was ich sage, können Sie anderen einen Strick drehen —«
»Wenn sie's verdienen —«
»Nein, ich sage lieber nichts.«
»Sie glauben, daß ein Verbrechen geschehen ist?« fragte ich geduldig weiter.
»Ja«, nickte sie. »Das meinte ich, als ich von dem Unfall ganz besonderer Art sprach.«
»Reden Sie! Vielleicht findet sich eine Möglichkeit, alles in Ordnung zu bringen — vielleicht läßt sich noch das eine oder das andere verhindern und verhüten!«
»Es ist zu spät.« Sie zündete sich wieder eine Zigarette an. Ich gab ihr Feuer.
In der einen Hand hielt sie das Glas, in der anderen die Zigarette. Die ,Camel‘ verglomm zwischen ihren gepflegten Fingern.
Wir schwiegen. Ich drängte nicht weiter in sie, ich war überzeugt davon, daß sie bald sprechen, würde. Sie konnte gar nicht anders. Der Druck, der auf ihr lag, brauchte ein Ventil.
»Ich habe keine Beweise«, begann sie endlich, »aber ich bin sicher, daß mein Instinkt mich nicht trügt. Ich weiß, daß das für Sie merkwürdig sein mag — aber wenn Sie hören, was sich ereignet hat, werden Sie meine Befürchtungen teilen — dayon bin ich überzeugt.«
Sie nahm einen kleinen Schluck aus dem Glas und sagte dann:
»Lester ist ermordet worden. Von Charly.«
»Von Charly McGrown, seinem Partner?«
»Ja.«
»Aus welchem Grund?«
»Wegen Alice.«
»Eifersucht?« fragte ich, weil es das Nächstliegende war.
»Ja«, nickte Rosy Freddard. »Lester hatte sich in Alice verknallt, und sie erwiderte seine Neigung. Sie trafen sich heimlich. Ich kam bald dahinter — und auch Charly entdeckte rasch, daß Alice ihn mit seinem Geschäftspartner betrog.«
»Das rechtfertigt keinen Mord.«
»Geht es hier um die Rechtfertigung?« fragte das Mädchen bitter. »Morde geschehen einfach. Die Begründung ist eine andere Sache. Solche Sachen passieren, weil jemand keinen anderen Ausweg mehr sieht, weil er sich rächen will — um nur ein Motiv zu nennen. Ist ja ganz egal. Sie passieren eben. Charly hat es mit der Treue nie sehr genau genommen, wie die meisten Männer. Das hielt ihn nicht davon ab, seine Frau eifersüchtig zu behüten. Niemand durfte sie anlächeln. Sie müssen das verstehen. Charles stammt aus den Slums. Er hat sich verdammt mühsam hochgearbeitet. Was er besitzt, gibt er nicht wieder her — und das schließt Alice
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