0432 - Sein Todfeind war ein flottes Girl
Charly. Warum?«
»Erzählen Sie mir etwas über Mr. Flinch«, bat ich.
»Da gibt's nicht viel zu erzählen«, meinte sie. »Lester ist ein sehr charmanter, liebenswerter Gesellschafter. Es macht Spaß, ihn um sich zu haben. Außerdem ist er im Geschäft ungemein tüchtig.«
»Wieviel bedeutet er Ihnen?« Zwischen Alice McGrowns Augen steilte sich eine dünne Falte. »Wie meinen Sie das?«
»Wie es gesagt wurde«, erwiderte ich ruhig und blickte sie hart an. »Haben Sie ein Verhältnis mit ihm?«
Alice McGrown errötete. Sie schwang die Füße auf den Boden und erhob sich. Es war schon fast ein Aufspringen. »Sie haben kein Recht, derlei Fragen an mich zu richten!« sagte sie empört. »Ich denke, Sie wollen Papas Verschwinden aufklären? Ich kann nicht recht einsehen, was diese Aufgabe mit den Beziehungen zu tun haben soll, die zwischen Lester und mir bestehen —«
»Es gibt also solche Beziehungen?«
»Er ist unser Freund!«
»Nicht noch mehr?«
Alice drehte sich um. Sie nahm eine Zigarette aus einem Jadeholzkästchen und steckte sie langsam in Brand. Mir schien es so, als ginge es ihr darum, Zeit zu gewinnen. Plötzlich wandte sie sich abrupt um. Sie starrte mich an, feindselig.
»Also gut, wir hatten etwas miteinander!« gestand sie und verzog ärgerlich die Lippen. »So formuliert man das doch, nicht wahr?« fragte sie spöttisch. »Aber es ist vorbei, endgültig —«
»Seit wann ist es vorbei! Seit heute?«
»Das spielt doch keine Rolle!«
»Lester wird vermißt«, sagte ich.
Sie starrte mir in die Augen. »Nein!« hauchte sie. »Soll das ein Witz sein?«
»Ich war in seiner Wohnung. Miß Freddard empfing mich dort. Sie war ziemlich aufgeregt. Er hat sich mit ihr verabredet, ist aber nicht gekommen.«
»Das besagt nicht viel.«
»Miß Freddard behauptet, daß er stets sehr pünktlich und genau ist.«
»Das ist richtig«, gab Alice McGrown zu. Mit spitzen Fingern klaubte sie sich ein Tabakkrümel von der Unterlippe.
»Da ist noch etwas«, sagte ich. »Im Wohnzimmer und in der Diele entdeckten wir einige Flecken. Blut! Miß Freddard benahm sich danach reichlich hysterisch — mit gutem Grund, wie sie mir später erklärte.«
Alice McGrown biß sich auf die Unterlippe. »Sie brauchen nichts weiter zu sagen, ich ahne schon, was jetzt kommt.« Ich wandte den Kopf. »Was war das?«
»Ich habe nichts gehört —«
»Eine Tür ist leise ins Schloß gedrückt worden«, stellte ich fest.
»Vielleicht war es Charly«, meinte sie. »Er wollte schon vorhin mal Weggehen, um Zigaretten zu besorgen.« Sie ging zur Tür und öffnete sie. »Hier ist niemand«, sagte sie und zog die Tür wieder zu. Ich beobachtete, wie sie den Raum durchquerte und erneut auf der Couch Platz nahm.
»Wir sind unterbrochen worden«, sagte ich. »Nun — was vermuten Sie?«
»Ich kenne Rosy flüchtig. Sie ist ein nettes Mädchen, aber sie ist eifersüchtig, und sobald es um ihren Lester geht, zieht sie die verrücktesten Schlüsse.«
»Denken wir an das Blut, das aus dem Lincoln tropfte«, sagte ich. »Finden Sie, daß diese Rückschlüsse noch immer so verrückt klingen?«
»Sie denken, Charly könnte Lester getötet haben? Das ist doch absurd!«
»Warum? Er hatte ein Motiv.«
»Ein Motiv? Vielleicht — aber keinen Grund. Er ist mir oft genug untreu gewesen. Genau genommen hat es damit begonnen. Ich war ihm böse. Ich wollte ihm eine Lektion erteilen und ihm zeigen, wie es ist, wenn man betrogen wird. Deshalb fing ich die Sache mit Lester an. Es war harmlos — ein paar Küsse, ein harmloser Flirt, nichts weiter.«
»Weshalb hätte Ihr Mann keinen Grund gehabt, Flinch zu töten?« hakte ich nach.
»Beide stecken momentan in der Tinte. Soviel ich weiß, sind sie finanziell ins Schwimmen geraten. Es wird vorübergehen, aber die Situation ist so, daß sie gerade jetzt sehr hart und clever arbeiten müssen, um die entstandenen Schwierigkeiten zu meistern. Es mag stimmen, daß Charly eifersüchtig ist — aber in erster Linie ist er Geschäftsmann. Um seiner Dollars willen stellt er private Dinge stets zurück.« Die Stimme der jungen Frau hatte einen bitteren Ton bekommen. »Fragen Sie alle, die mit ihm zu tun haben. Man wird Ihnen bestätigen, daß ich die Wahrheit sage, für Charly kommen erst die Dollars.«
»Ihr Mann tat mir gegenüber heute nachmittag so, als wäre sein Laden prima in Schwung.«
»Das ist typisch Charly. Je dreckiger es ihm geht, um so optimistischer gibt er sich. Er blufft, verstehen Sie. In
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