0433 - Herrin der Ghouls
nicht dabei, und das Protokoll kann Ihnen auch noch keiner gezeigt haben, weil mein Assistent noch keine Zeit hatte, es zu schreiben.«
»Ich kenne deNoe, und ich weiß es von ihm. Kennen Sie eine gewisse Yalasa? Jung, bildschön, lange rote Haare, verwegener Fahrstil. Renault Alpine.«
»Zeigen Sie sie mir, damit ich sie kennenlerne. Ich mag schöne Frauen mit langen Haaren, Zamorra… das war also Ihre Frage. Und nun die Bitte.«
»Erzählen Sie mir die amtliche Version des gestrigen Vorfalls, und zeigen Sie mir die leeren Kühlkammern und das zerstörte Fenster.«
»Andere Sorgen haben Sie nicht? Na gut… dann kommen Sie doch mal mit.«
Kurz darauf stand Zamorra vor den leeren Fächern und dann vor dem Fenster, vor das man ein paar Bretter hochkant gestellt hatte. Wer immer den ganzen Rahmen herausgerissen hatte, mußte nicht nur über eine ungewöhnliche Kraft und Geschicklichkeit verfügen, sondern es auch noch fertiggebracht haben, diesen Rahmen richtig zu greifen. Zamorra wollte den Menschen sehen, der ihm das vormachte.
Dann sah er den Rahmen selbst und die Löcher.
Er versuchte eine Kugelschreibermine hineinzuschieben. Das ging nur eineinhalb Zentimeter weit, dann wurde die Krümmung jeder der Löcher zu stark. Da mußte jemand mit einer unglaublichen Urgewalt gebogene Krallen ins Holz geschlagen haben. Mit dieser »Verankerung« war es ihm dann gelungen, den Rahmen aus dem Verputz zu reißen.
»So denke ich es mir auch, Zamorra, bloß kenne ich kein Tier und erst recht keinen Menschen, der über solche Krallen verfügt - ganz abgesehen davon, daß Tiere doch keine Leichen aus den Kühlfächern klauen.«
Zamorra öffnete sein Hemd. Der Kommissar grinste. »Na, gerade hier unten ist es doch wirklich nicht so warm…«
Das stimmte. Es war sogar erfrischend kühl, und ein wenig schauderte es Zamorra vor dem Moment, in welchem er wieder nach draußen in die Hitze mußte. Erstaunt sah Fountain zu, wie der Parapsychologe eine handtellergroße Silberscheibe von dem Kettchen loshackte, an dem er sie unter dem Hemd vor der Brust getragen hatte, und dann einige der erhabenen Schriftzeichen auf der Scheibe mit leichtem Fingerdruck verschob. Daß sie ihre ursprüngliche Lage von selbst wieder einnahmen, schien ihn dabei gar nicht zu stören.
»Was machen Sie da, Zamorra?«
Der winkte nur ab und antwortete nicht. Er hatte Besseres zu tun. Mit dem Verschieben der Hieroglyphen hatte er eine magische Funktion ausgelöst, die ihm erlaubte, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Da das Gechehen sich in der letzten Nacht abgespielt hatte und maximal zwölf Stunden her sein konnte, würde die Kraftanstrengung dabei sich in Grenzen halten.
In der Mitte der Silberscheibe befand sich ein stilisierter Drudenfuß, der jetzt zu einer Art Mini-Bildschirm geworden war. Wie auf einem winzigen TV-Monitor konnte Zamorra seine Umgebung sehen.
Das Amulett projizierte Bilder aus der Vergangenheit und ging dabei in der Zeit rückwärts. Zamorra hatte Zeitraffertempo angeordnet. Was tagsüber passiert war, interessierte ihn nicht. Erst als die Beleuchtung auf Nachtbetrieb wechselte, wurde er aufmerksamer und verlangsamte das Zeitraffertempo.
Und dann sah er - in rückläufigen Bewegungen - den Dieb, der die beiden Leichen mitgenommen hatte…
***
»Was zum Teufel ist das für eine Kreatur?« stieß Fountain hervor. »Trägt der eine Maske, eine Ganzkörpermaske?«
»Glauben Sie das wirklich, Fountain?« fragte Zamorra, der sich aus seiner Halbtrance löste und das Bild erlöschen ließ. Mehr als es sich anschauen, konnte er nicht, und es reichte ihm ein intensiver Blick.
Unheimlich war das Wesen, das wie ein Mensch Arme und Beine besaß, aber mit zottigem braunen Fell behaart war, und dessen langgezogener Schädel nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem eines Menschen aufwies. Nicht einmal irgend eine Affenart besaß solche Kopfformen. Furchterregend waren die langen Zähne, die aus dem Oberkiefer nach unten ragten und die in der Lage waren, Menschen förmlich aufzuspießen. An den Fingern saßen lange, spitze Krallen. Daß die Augen dreieckig, schwarz und scheinbar pupillenlos waren, machte das Wesen auch nicht vertrauenerweckender. Und dieses Ungeheuer hatte die beiden Leichen gestohlen!
Wohin es verschwunden war, blieb ungeklärt. Zamorra hätte den Versuch machen können, es mit dem Amulett über die Zeitspur zu verfolgen. Aber die langen Beine mit den kräftigen Muskeln verrieten, daß das Monster ein
Weitere Kostenlose Bücher