0433 - Herrin der Ghouls
beobachtet haben könnte«, brummte Zamorra verdrossen. »Hat jemand mal versucht, sich die Fluchtrichtung anzusehen?«
Fountain zuckte mit den Schultern. »Der Mann kann von überall her gekommen und verfolgt worden sein. Genausowenig wissen wir, warum er sich ausgerechnet Monsieur deNoes Wagen ausgesucht hat. Es standen noch andere Autos hier. Und der Tote und Monsieur deNoe kannten sich wohl nicht.«
»Das ist richtig«, bestätigte Rogier seine Aussage von gestern.
Zamorra seufzte. Vermutlich blieb ihm nichts anderes übrig, als es noch einmal mit dem Amulett und der Zeitschau zu versuchen.
Wieder setzte er Merlins Stern ein. Diesmal hatte er eine etwas längere Zeitspanne zu überbrücken, und er merkte schon bald, daß ihm der Versuch erheblich mehr Kraft abverlangte. Es handelte sich um fast achtzehn Stunden.
Aufmerksam sahen Fountain und Rogier ihm zu und verfolgten das kleine Bild, das sich im Zentrum des Amuletts zeigte. Es flackerte, war unscharf. Daß Zamorra erst vor kurzer Zeit schon einmal diese Magie benutzt hatte, machte sich jetzt bemerkbar.
Aber dann endlich tauchte das gewünschte Bild auf. Der Leichnam, der aus dem Zinksarg an das Auto gehängt wurde - im Rückwärts-Ablauf sah es bizarr aus -, dann deNoe selbst, der scheinbar rückwärts das Lokal betrat. Der prasselnde Regen. Und dann bewegte sich der Leichnam, löste sich vom Türgriff des Mazda, taumelte rückwärts quer über die Straße, aus zahlreichen Wunden blutend.
Und dann sah Zamorra den Verfolger.
Es war das Ungeheuer mit den langen Zähnen…
***
Nicole hatte kurzfristig umdisponiert. Ihre Neugierde hatte doch noch gesiegt, nur wollte sie sich einen anderen Schauplatz ansehen als Zamorra und deNoe. Sie zwang sich, außer dem Tanga noch eine -dünne Bluse zu tragen, die sie recht locker über dem Bauchnabel verknotete, und fuhr ins Dorf hinunter. Hier hatte sie »Heimspiel«, man kannte sie und würde ihr die relative Freizügigkeit eher nachsehen. Schließlich war sie nicht die einzige, die sich des öfteren zum Nacktbaden am Loire-Ufer einfand. Das hatte sie allerdings heute nicht vor, sondern suchte die Gaststätte auf. Mostache war über die Störung nicht besonders erbaut. »Sie wissen doch, daß wir erst gegen fünf wieder öffnen… oder ist oben im Château der Weinmangel ausgebrochen?«
Nicole schüttelte lachend den Kopf. »Pardon, Mostache, aber ich will Sie nicht als Wirt in Anspruch nehmen. Ich möchte mir nur das Zimmer mal näher ansehen dürfen, in welchem diese Yalasa übernachtet hat.«
Mostache hob die Brauen. »Und was soll das?« erkundigte er sich.
»Ich habe den Verdacht, daß mit der Frau etwas nicht stimmt. DeNoe hat sie heute vormittag zu ihrem Renault gefahren, und der stand seiner Aussage nach schon brav und unversehrt am Straßenrand. Dabei hat er im Graben gelegen, und sie ist da mit ziemlichem Tempo hineingerutscht. Seit ein paar Sekunden frage ich mich, warum sie da völlig unverletzt rausgekommen ist. Auch der Gurt schützt nicht vor allem, und laut deNoe war auch der Wagen völlig unbeschädigt. Da stimmt etwas nicht.«
»Und sie glauben, den Grund finden Sie in ihrem Zimmer?«
»Ich weiß es nicht. Ich möchte nur einem Verdacht nachgehen. Wie ist es, darf ich hinauf?«
»Da die Dame nicht mehr bei uns wohnt, meinetwegen«, brummte Mostache. »Sonst dürfte ich Sie nicht so einfach da hineinlassen, das wissen Sie ja. Es ist das erste Zimmer rechts. Im zweiten wohnt Monsieur deNoe.«
»Warum wohnt der nicht im Château?« fragte Nicole. »Aus reiner Menschenfreudlichkeit Ihnen und Ihrem Konto gegenüber, Mostache? Wir haben schließlich auch Gästezimmer oben…«
»Ich werde ihn keinesfalls hinauswerfen«, schmunzelte Mostache.
Er folgte Nicole nach oben. War es im Erdgeschoß noch halbwegs erträglich, stieg die Temperatur im Obergeschoß des kleinen Hauses bereits erheblich an. Mostache schnaufte. »Wird Zeit, daß diese Hitzewelle aufhört«, sagte er. »Die Loire trocknet schon aus, und nicht nur sie. Überall sinkt der Wasserspiegel.«
»Austrocknen ist wohl momentan noch etwas übertrieben, nicht wahr?« erwiderte Nicole. »Immerhin ist die Loire ein nicht gerade kleiner Fluß. Da muß schon eine größere Katastrophe kommen. Aber wenn die Seen und Teiche im Lande austrocknen, kommen all die versenkten Schrottautos ans Tageslicht…«
»Und die Leichen mit den Betonschuhen«, schmunzelte Mostache.
Seine Bemerkung erinnerte Nicole an den Geruch, der von Yalasa ausging.
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