0435 - Das Hexentor
schreien.
Okay, wenn sie in der Nähe war, wollte auch ich sie sehen. Ich zog die Hand aus der rechten Tasche. Es hinderte mich niemand daran, und keiner tat mir etwas, als ich das Kreuz präsentierte.
Nur das Sprechen verstummte. Man schaute mich an und ebenfalls das Kreuz bis zu dem Augenblick, als Ghislaine anfing zu lachen. »Da! Da!« rief sie. »Seht euch das verdammte Ding genau an. Starrt hin, meine Freunde. Ihr werdet lachen können. Ihr werdet ihre Macht erkennen. Die Macht der Großen Mutter!«
Es war tatsächlich so, daß sie mein Kreuz genau an der Stelle manipuliert hatte, wo sich die beiden Balken trafen. Diesmal sah ich nicht das Bild der um die Statue herumsitzenden Hexen, ich war ja selbst dabei, dafür erkannte ich ihre Schatten.
Es war ein Hauch des Bösen.
Bläulich und dunkelgrau, gefährlich, unheimlich und manipulierend. Mich durchfloß das Gefühl der Angst und einer Ahnung, daß ich mich möglicherweise zu weit vorgewagt hatte.
Stand ich an der Schwelle zur Niederlage, wie schon einmal, als die Zeichen verschwunden waren? Inzwischen war jedoch viel geschehen.
Ich hatte erfahren, daß ich nicht zum erstenmal lebte, daß mein Kreuz eine Wanderschaft hinter sich hatte und von verschiedenen Personen getragen worden war.
Aber nicht manipuliert.
Nur bei mir…
Mir trat der kalte Schweiß auf die Stirn. Der Anblick des Kreuzes hatte mich von den übrigen Vorkommnissen abgelenkt. Die Hexendienerinnen waren nähergetreten und hatten den Kreis eng gezogen. Fünf von ihnen wollten einen Blick darauf werfen.
Nur eine wies mit dem gekrümmten Zeigefinger auf die bestimmte Stelle in der Mitte.
Das war Ghislaine!
Das Flüstern der anderen verstummte. Keiner gab mehr einen Kommentar ab. Ghislaine und die Große Mutter waren jetzt wichtig. Die Alte fühlte sich als Vertreterin Liliths auf dieser Erde, denn sie sprach Worte, die für den Fortgang des Geschehens wichtig waren.
»Du bist zu uns gekommen, Mann mit dem Silberkreuz. Es war wichtig, daß du diesen Ort betreten hast. So kann denn Lilith ihre gesamte Macht ausspielen. Sie wird dein Kreuz mit in ihren Zauber hineinziehen, durch deinen Talisman wird das entstehen, auf das wir alle gewartet haben. Das Hexentor!«
Laut hatte sie die letzten Worte gerufen - und erzielte einen Erfolg.
Plötzlich hatte ich das Gefühl, die Beine würden mir vom Boden weggerissen. Ich starrte ins Leere, sah die Gestalten vor mir verschwimmen.
Sie schienen sich innerhalb des Fackelfeuers aufzulösen und zu weichen, fließenden Gestalten zu werden, die in den Gegenstand hineingezogen wurden, der sich überdimensional und mit den Maßen des Kellers überhaupt nicht vereinbar vor mir auftat.
Es war das Hexentor!
Janes düstere Prophezeiung hatte sich erfüllt…
***
Die ehemalige Hexe saß auf dem Baumstumpf. Ihre rechte Hand umklammerte den Griff der Beretta. Jane selbst wirkte nervös. Noch immer schaute sie auf die Eingangstür, hinter der John Sinclair verschwunden war, um sich der Großen Mutter zu stellen.
Jane wußte, daß er es verdammt schwer haben würde. Die Kräfte, die sich dort konzentrierten, waren gefährlich. Sie stammten aus einer Zeit, die so lange zurücklag, daß man sie kaum messen konnte. Tief in der Vergangenheit liegend, als das Böse wie ein Flächenbrand über die Erde hinwegraste und erst von den Kräften des Lichts sehr spät gestoppt und verbannt werden konnte.
Aber es kehrte zurück!
Intervallweise lüftete es seine düsteren Geheimnisse, machte sich an Menschen oder Personen heran, die ihm nichts entgegensetzen konnten, weil sie nicht mehr das Wissen besaßen, das ihren Vorfahren möglicherweise zu eigen gewesen war.
Aber Jane wußte es.
Sie war eine echte Hexe gewesen. Zwar stand sie jetzt auf der anderen Seite, doch in ihrem Innern schlummerten noch Kräfte aus vergangenen Zeiten.
Einmal hatte sie es bewiesen, als sie die Fesseln in Flammen aufgehen ließ, die ihr van Akkeren angelegt hatte. Und auch jetzt reagierte sie empfindlich wie ein Seismograph. Als einzige hatte sie die Gefahr bemerkt, die auf die Menschen zukam, wenn sich das geheimnisvolle Hexentor zeigte und seine Kräfte ausspielte.
Noch war es ja nicht zu sehen, aber Jane Collins konnte einfach nicht daran glauben, daß John Sinclair es schaffte, sich gegen das Hexentor zu stemmen. Er war leider nur ein Mensch und keine Maschine. Er würde von der Wucht schwarzmagischer Kräfte zu Boden gedrückt und möglicherweise vernichtet werden.
Man hatte sein
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