0438 - Der Drachenturm
viel Energie entzogen, daß es nicht mehr ausreichte, einen neuen Start zu machen. Wir wissen doch beide, wie geschwächt er war.«
»Oh, immerhin war er stark genug, um auf dem Silbermond kräftig mitzumischen…« erinnerte Zamorra.
»Ja!« gestand Nicole. »Aber er hatte auch da schon seine Schwierigkeiten, und nach der Rückkehr in unsere Welt zog er sich umgehend zurück und war ganz schön fertig… wer also garantiert uns, daß er überhaupt noch lebt?«
»Du meinst es also wirklich ernst«, murmelte Zamorra. »Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Merlin tot… das ist einfach unmöglich. Das kann nicht sein.«
»Wir haben uns früher auch nicht vorstellen können, daß Kerr einmal sterben könnte. Oder Colonel Odinsson. Oder Bill Fleming, um nur ein paar Beispiele zu nennen.«
»Oder Rob Tendyke und die Zwillinge…« murmelte Zamorra düster.
»Aber… sie waren Menschen. Merlin - ist doch etwas ganz anderes. Er ist ein magisches Wesen…«
Nicole schüttelte den Kopf. »Ich behaupte ja nicht, daß er tot ist. Ich sage nur, er könnte vielleicht möglicherweise unter Umständen eventuell tot sein. Und es gibt für uns keine Möglichkeit, nach ihm zu sehen. Die Dimensionsfalte, in der er verschwand, ist und bleibt für uns verschlossen.«
»Vielleicht aber nicht für Sid Amos. Der könnte eindringen und nachsehen.«
»Auch da bin ich mir nicht ganz sicher.«
»Fragen wir ihn einfach. Jedenfalls wird es Zeit, daß Merlin wieder aufkreuzt. Und dann werde ich ihm ein paar Fragen stellen, die er beantworten muß. Der alte Knabe weiß entschieden mehr über das Amulett, als er bisher zugegeben hat.« Zamorra klopfte gegen die Silberscheibe. Schon seit geraumer Zeit ging eine schleichende Veränderung mit der Scheibe vor sich. Sie begann telepathische Warnungen von sich zu geben, selbständig zu handeln… und hatte sich vor kurzem in einem Fall sogar einmal selbständig wieder aktiviert, nachdem der Fürst der Finsternis einen »Abschalte-Schlag« geführt hatte. Das war noch nie dagewesen, auch nicht, daß das Amulett vor einer Bedrohung floh und seine Besitzer im Stich ließ - wie gerade erst vor ein paar Tagen geschehen.
In den letzten beiden Tagen und auch heute hatte Zamorra das getan, was er sich schon vor geraumer Zeit vorgenommen hatte - das Amulett zu untersuchen, es zu analysieren. Er wollte endlich wissen, woran ei war, wieso in diesem Stück Metall mit magischen Kräften eine Art von eigenem Bewußtsein entstehen konnte. Er wollte erfahren, wie stark es war, ob und wie weit die Entwicklung noch weitergehen würde - und wieweit er sich nach dem letzten Vorfall überhaupt noch auf dieses magische Werkzeug verlassen konnte.
Aber nichts von dem, was er versucht hatte, hatte funktioniert. Merlins Stern hatte sein Geheimnis nicht preisgegeben. Es hatte sich gegen alles gesperrt, was Zamorra an Tricks und Kniffen einsetzte.
Nur wollte ihm dieser unsichere Zustand nicht gefallen, und deshalb hoffte er jetzt, daß Merlin ihm Auskunft geben konnte. Immerhin hatte der doch damals in Zamorras Gegenwart, während einer Zeitreise ins frisch von den Rittern des ersten Kreuzzuges eroberte Jerusalem, einen Stern vom Himmel geholt und daraus das Amulett geformt.
Und weil das bereits der siebte Anlauf gewesen und die sechs früheren Amulette, eines stärker als das vorhergehende, aber in Merlins Augen noch nicht perfekt genug war, mußte der alte Zauberer sich doch etwas bei diesem Schöpfungsakt gedacht haben. Es mußte ihm doçh ein bestimmtes Ziel vor Augen gewesen sein. Denn nur Dämonen abwehren und Magie entfesseln und zur Wirkung bringen - das konnten die anderen sechs Amulette auch. Doch erst das siebte hatte er als das »Haupt« oder die »Krönung« des Siebengestirns von Myrrian-ey-Llyrana bezeichnet…
»Uns steht also wieder mal eine Reise nach Wales bevor?« fragte Nicole vorsichtig.
Zamorra nickte. Er legte das Amulett auf die Tischplatte und erhob sich aus seinem Sessel.
»Ja. Aber nicht heute und auch nicht morgen. Erst einmal habe ich die Nase voll. Für diesmal ist Feierabend… ein bißchen Zeit sollten wir ja auch mal wieder uns selbst gönnen. Die Arbeit kann warten…«
Nicole lächelte.
»Schicken wir Raffael in den Weinkeller, ein Fläschchen heraufholen«, schlug sie vor. »Derweil lege ich Feierabendkostümierung an, und wir machen es uns vor dem Kaminfeuer bequem, ja?«
»Jetzt, am frühen Nachmittag?« Zamorra hob die Brauen. »Swimmingpool wäre angebrachter…
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