0438 - Der Drachenturm
zurückverlegt hatte, durchquerte den Korridor und versuchte Merlin aus seiner Gedankenwelt zu verdrängen.
Über eine breite Treppe ging er nach unten und näherte sich dem Fitneß-Center, an das sich, halb draußen und halb drinnen, der Swimmingpool anschloß, der im Winter und bei schlechtem Wetter vollständig überdacht und mit Thermoglaswänden abgeschottet werden konnte.
Er durchquerte das kleine Center, in dem er fast täglich trainierte, um sportlich auf der Höhe zu bleiben - wenn er im Château weilte, was in letzter Zeit nur noch selten geschah. Einerseits hatte ihn die Dauerbaustelle erheblich gestört, andererseits geschah ständig irgendwo auf der Welt etwas, das seine Anwesenheit erforderte. Um so mehr versuchte er die Stunden und Tage zu genießen, die er hier zubringen konnte.
Er trat an den Pool hinaus. Nicole fehlte noch. Zamorra sah zum strahlend blauen Himmel empor. Die letzten Tage war es kühler gewesen und regnerisch, aber jetzt schien die Schönwetterphase zurückzukehren, und es war wieder heiß geworden.
Zamorra ließ sich in einen der Freizeitsessel sinken.
Er hörte Schritte hinter sich. Nicole tauchte auf, in ihrer »Feierabendkostümierung«, wie sie es genannt hatte. Die Kostümierung bestand aus einem knappen Tanga in leuchtendem Rot. Nicole beugte sich über Zamorra und küßte ihn.
»Wo ist der Wein? Wo ist Raffael?«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Wird wohl gleich kommen. Vergiß nicht, daß er ein alter Mann und der Weg in die unergründlichen Tiefen des Kellers weit ist.«
»Immerhin habe ich mich in der Zwischenzeit schön gemacht und angezogen«, sagte Nicole.
Zamorra schmunzelte. Mit dem Anziehen hatte sie sicher weit weniger Arbeit gehabt als mit Ausziehen und Schönmachen. Aber immerhin…
Raffael war tatsächlich schon lange unterwegs. Normalerweise ging es schneller, wenn er- in den Weinkeller hinab stieg.
Vieleicht war er gestürzt und verletzt…
Seufzend erhob Zamorra sich. »Ich schau mal nach, ob ihm was passiert ist«, sagte er. »Wir wollen’s nicht hoffen… das würde uns den ganzen Rest des Nachmittags und Abends zerstören…«
Er machte sich auf den Weg in den Keller.
Und ahnte nicht, was ihm bevorstand…
***
Drachentöter La-Soor stand dem Zauberer Gonethos gegenüber.
Er hatte ihn sich ganz anders vorgestellt - als einen gebeugten alten Mann, hager und weißhaarig oder kahlköpfig, mit dürren, nervösen Händen, gekleidet in eine dunkle Kutte mit Kapuze oder spitzem Hut. Zauberer, die ähnlich aussahen, war er schon häufig begegnet, und deshalb war er sicher gewesen, daß auch Gonethos diesem Bild gleichen mußte. Immerhin war er der größte aller lebenden Zauberer, und auch der älteste. Man schätzte sein Alter auf wenigstens zweihundert Drachenjahre. Genaues wußte niemand zu sagen, denn erstens gab es nur wenige Menschen, die Gonethos jemals zu Gesicht bekommen hatten, und zweitens hatte er den Ruf, sehr verschwiegen zu sein -sowohl, was ihn selbst anging als auch jene, die zu ihm kamen.
Deshalb war La-Soor zu Gonethos gegangen, um ihn um Hilfe zu bitten. Wenn es jemanden gab, der ihn stark machen konnte, dem größten aller Drachen entgegenzutreten und diesen Kampf zu überleben, dann war es Gonethos mit seinen uralten Tricks. Gonethos, dem man nachsagte, er habe einen Pakt mit Dämonen und Teufeln. Gonethos, der zu niemandem darüber reden würde, daß er es gewesen war, der La-Soor half.
Und der junge Mann, der ihm gegenübersaß - das sollte Gonethos sein, der Zweihundertjährige?
Ich darf nicht vergessen, daß ich es mit einem Zauberer zu tun habe, dachte La-Soor. Einem Zauberer von Gonethos Klasse mußte es möglich sein, sich ein jugendliches Aussehen zu geben, ganz wie es ihm beliebte.
Gonethos winkte La-Soor zu, sich ihm zu nähern. Der Zauberer hatte sich auf einem bequemen Diwan ausgestreckt. Er trug seidig schimmernde, bequeme Kleidung. Zwei der nackten Mädchen mit den Bernsteinaugen eilten sofort zu ihm, füllten einen Pokal mit einem blauen Getränk, von dem Gonethos nippte, und reichten ihm Früchte. Eines der Mädchen streckte sich neben ihm aus und schmiegte sich zärtlich an ihn. Eine seiner Hände glitt über ihr nackte Haut. Der Zauberer lächelte.
»Mach es dir bequem, La-Soor«, sagte er. »Die Mädchen werden es dir an nichts fehlen lassen. Möchtest du dich zuerst entspannen, ehe wir reden? Möchtest du eines oder auch mehrere der Mädchen nehmen? Ich schenke dir jede, die du willst.«
Auch
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