0439 - Nacht der Hexen
Sache. Ihre Gedanken kreisten um Rafaela.
Na, das kann ja ein heiterer Abend werden, dachte Ted Ewigk sarkastisch und verwünschte seinen Einfall, Carlotta ausgerechnet heute abend hergebeten zu haben.
Er hatte sich das alles doch ein wenig anders vorgestellt…
***
Die Abenddämmerung senkte sich über Marino, das kleine Dorf in den Albaner Bergen, rund fünfzehn Kilometer südlich der Stadtgrenze Roms gelegen. Nur ein paar hundert Meter trennten Marino vom Lago di Albano, dem größeren der beiden Seen in den Bergen, die mit ihrer annähernd kreisrunden Form fast tausend Meter emporragten und neben einigen Dörfern auch ein Observatorium beherbergten.
Am Rand Marinos gab es einen kleinen, romantisch wirkenden Friedhof. Die dazugehörige Kapelle war im Notfall abgeschlossen.
Das Schloß hatte den drei Hexen keine Probleme bereitet. Vor zwei Tagen waren sie eingedrungen und hatten die Kapelle für ihre unheiligen Zwecke entweiht, während draußen ein Gewitter tobte, Blitze zuckten und Donner rollte. Kein Einwohner von Marino hatte etwas bemerkt. Und zwischenzeitlich war niemand mehr in der Kapelle gewesen, niemand hatte also herausfinden können, was hier geschehen war.
Una, die Hexe, hatte das Mädchen Rafaela hierher gebracht. Hier konnten die Hexen sich sicher fühlen, und hier würde es auch ihrer dämonischen Herrin gefallen. Stygia würde hier gern die Lebensenergie des Opfers in sich aufsaugen und den toten Körper verschwinden lassen, wie es üblich war. Der Vorgang war immer derselbe, nur die Örtlichkeiten wechselten. Aus Sicherheitsgründen wechselten die Hexen stets ihr Revier; frühestens nach fünf oder sechs Jahren suchten sie einen Ort ein zweites Mal auf, um ihr Opfer darzubringen. So kam ihnen niemand auf die Spur, der danach die stattgefundenen Entweihungen entdeckte. Man sah keine Zusammenhänge zwischen den stets weit voneinander entfernten Orten.
Rafaela schwebte nicht mehr in waagerechter Position, so wie Una sie mit ihrer Hexenkraft über die Friedhofsmauer befördert hatte. Mechanisch setzte sie jetzt einen Fuß vor den anderen, schritt wie eine Maschine vor Una her auf die Kapelle zu, deren Tür wie von Geisterhand betätigt aufschwang. Rafaela trat ein. Una folgte ihr. Die Tür fiel leise wieder ins Schloß.
Rafaela blieb stehen. Sie sah sich nicht um, sie bemerkte nicht, wo sie sich befand. In dieser Hinsicht war ihr Denken völlig blockiert. Sie war eine willenlose Träumerin geworden, die ihre Umgebung nicht mehr bewußt wahrnahm und nur den lautlosen Befehlen der Hexe gehorchte.
Una stellte fest, daß ihre Artgenossinnen noch nicht anwesend waren. Das machte nichts; bis das Ritual begann, war noch genügend Zeit. Una warf einen Blick zum Kreuz an der Stirnseite der Kapelle; es stand auf dem Kopf, seit die Hexen sich dieses Haus nutzbar gemacht hatten. Una grinste spöttisch. Solange Stygia half, war die Macht der Hexen unüberwindlich.
Nun war es an der Zeit, die nötigen Vorbereitungen zu treffen.
Una erteilte ihre Befehle.
***
Zamorra und Nicole befanden sich wieder in Rom! Eine Entfernung von rund achthundert Kilometern in der Luftlinie hatten sie mit nur wenigen Schritten hinter sich gebracht und betraten abermals die Kellerräume der »Villa Eternale«. Jeder von ihnen hatte zwei Flaschen Wein aus dem Keller des Châteaus mitgenommen, und nachdem Zamorra die Schiebetür sorgfältig wieder hinter sich geschlossen hatte, ging er voran nach oben.
Immer noch glaubte er zu träumen und mußte sich zwingen, die Vorstellung zu akzeptieren, daß es plötzlich zwischen Château Montagne und Villa Eternale keine Entfernung mehr gab. Die Möglichkeiten, die sich daraus ergaben, waren schier phänomenal. Und das alles nur durch das Wirken von magischen Blumen, deren Magie nicht einmal von Zamorras Amulett angezeigt wurde!
Merlins Stern reagierte nicht darauf!
Von den Ereignissen um die Einweihungsfete her kannten Zamorra und Nicole sich in Teds Haus bestens aus und brauchten nicht lange zu suchen, um das Wohnzimmer zu finden, aber dann stellten sie fest, daß Ted nicht allein war. Stimmen waren hinter der geschlossenen Tür zu hören.
»Ich glaube, wir stören«, flüsterte Zamorra. »Wir sollten verschwinden und es morgen noch einmal versuchen.«
»Wenn wir stören, kann er uns immer noch rauswerfen«, gab Nicole ebenso leise zurück. »Außerdem hört sich das Gespräch nicht gerade so an, als würden wir im ungelegensten aller Momente kommen…« Und damit stieß sie,
Weitere Kostenlose Bücher