0439 - Nacht der Hexen
diese Regenbogenblumen überall gäbe und wenn die Ewigen von ihnen gewußt hätten, dann hätten sie nicht vor Jahrtausenden ihre technischen Transmitterstraßen entwickelt und eingerichtet, die künstliche Weltentore und -tunnels erzeugen…«
»Vielleicht wußten sie sehr wohl davon - und scheuten das Risiko, weil sie vielleicht den Haken gefunden hatten, den ich noch suche.«
Er ließ sich in seinen Sessel fallen. »Andererseits wäre es natürlich so eine Sache, herauszufinden, ob es Regenbogenblumen in Ash’Cant gäbe… oder wo auch immer Sara Moon sich gerade aufhält. Das dürfte für sie eine Überraschung sein, wenn wir dort auftauchten, wo sie absolut nicht mit uns rechnen kann…«
»Du hast es immer noch nicht aufgegeben, daß du sie besiegen willst oder mußt, nicht?« fragte Nicole.
Ted nickte.
»Ich muß sie irgendwann kalt erwischen und überwinden«, sagte er. »Erst dann kann ich wieder aufatmen. Solange Sara Moon an der Spitze der Dynastie steht, muß ich immer wieder mit Killerkommandos rechnen. Wir haben’s doch erst vor ein paar Wochen erlebt!«
Zamorra seufzte.
»Mir wäre eine andere Verbindung lieber«, sagte er. »Zum Beipsiel nach Caermardhin, in Merlins Burg, um den alten Magier oder vorerst noch seinen Stellvertreter Sid Amos im Falle eines Falles sofort und unbürokratisch erreichen zu können… und ich halte es durchaus für möglich, daß es in Caermardhin oder der unmittelbaren Umgebung dieser unsichtbaren Burg auch Regenbogenblumen gibt… was kennen wir denn von Caermardhin? Merlins Zimmer, das von Gryf und Teri, ein paar Korridore, das Burgtor und den Saal des Wissens. Warum soll es nicht irgendwo auch so einen Raum geben, in dem die Blumen existieren…?«
»Du bist ja verrückt, Zamorra«, sagte Ted kopfschüttelnd. »Bloß, weil du bei mir und bei dir und in dieser Drachen-Welt Regenbogenblumen gefunden hast, glaubst du jetzt, sie überall vorfinden zu müssen! Das sind doch Hirngespinste, Mann! Erinnest du dich daran, wie weit jeder von uns in seinem bisherigen Leben herumgekommen ist? Du, Nicole, die Druiden, Tendyke, ich… und niemals sind wir auf diese Blumen gestoßen! Und jetzt sollen sie plötzlich überall wachsen, möglichst an jeder Straßenecke, wie? Nee, mein Bester. Daran glaube ich nicht, weil es zu unwahrscheinlich ist.«
»Darf man neuerdings nicht mal mehr spekulieren?« fragte Zamorra. »Hast du schon mal was davon gehört, daß Wunschträume auch ’ne ganz schöne Sache sind? Ich habe ja nicht behauptet, daß ich diese Blumen überall zu finden sicher bin. Ich habe nur der Hoffnung Ausdruck verliehen und festgestellt, daß es schön wäre, wenn…« .
Nicole unterbrach das fruchtlose Gespräch mit einer Frage.
»Wer ist eigentlich Rafaela?«
***
Una, die Hexe, rührte keinen Finger.
Sie erteilte mit ihrer Hexenkraft lautlose Befehle, welche das Mädchen Rafaela widerspruchslos befolgte. Wahrscheinlich begriff Rafaela überhaupt nicht, was sie tat. Erst im Moment der Opferung würde ihr klar werden, was wirklich um sie herum geschah, und Stygia, die Dämonin, würde neben Rafaelas Leben auch Rafaelas Angst trinken.
Aber jetzt befand sich das Mädchen noch völlig im Bann der Hexe. Während sie auf das Eintreffen der beiden anderen warteten, richtete Rafaela den Altar für die Opferung her. Ihre eigene Hinrichtungsstätte!
Die befand sich nicht in der Kapelle, sondern unter freiem Himmel, der sich mittlerweile fast völlig verdunkelt hatte. Sterne glitzerten am Firmament. Auf einem Mauerstück, das breit genug war, breitete Rafaela das schwarze Tuch aus. Sie holte auch die schwarzen Kerzen und stellte sie auf, deren Wachs mit Leichenfett durchmischt war. Ein Kreis entstand, in dessen Mittelpunkt sich das Mauerstück befand, das zum Altar umfunktioniert worden war. Ringsum erhoben sich Gräber und Gedenksteine. Die emporragenden Kreuze störten weder die Hexe Una, noch würden sie ihre Artgenossinnen und erst recht nicht die Herrin stören. Denn neben diesem Mauerrest befand sich der Schandacker, der schmale Streifen ungeweihter Erde, in der Selbstmörder bestattet wurden oder heidnische Ungläubige.
Rafaela brachte das Opfermesser und legte es auf das schwarze Tuch. Für einige Sekunden schien sie den Hexenbann zu durchbrechen; sie starrte das Messer erschrocken an, und ihr Mund öffnete sich zu einem Schrei. Aber dann hatte Una sie wieder unter ihrer Kontrolle.
Rafaela blieb stumm.
Ihr Blick wurde wieder ausdruckslos, und schweigend
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