044 - Der Todesschwarm
sie nachdenklich. „Überall strahlend blauer Himmel – bis auf diese eine Wolke. Merkwürdig – sehr merkwürdig.“
Sie nahm die Brille ab und starrte auf die Wolke, die sich inzwischen zu einem Keil formiert hatte und direkt auf sie zu zu stürzen schien.
Das eigenartige Summen verstärkte sich.
Jetzt erkannte sie auch, woher es kam – aus diesem roten, nebelhaften Gebilde, das übers Wasser auf sie zuraste.
Gloria verstand nicht gleich. Eine keilförmige Wolke – und sie schoss auf sie zu? Was – was hatte das zu bedeuten?
Da – plötzlich begriff sie: Es handelte sich nicht um eine Wolke, wie sie vermutet hatte, sondern um einen Schwarm – ja, einen riesigen Schwarm, der aus Milliarden winziger roter Tiere bestand.
Und sie schienen es auf sie abgesehen zu haben.
„Mein Gott – was ist das?“ stammelte sie fassungslos.
Ein entsetzlicher Gedanke schoss ihr durch den Kopf: Sie werden über mich herfallen – mich umbringen!
Instinktiv spürte sie die tödliche Gefahr, in der sie sich jetzt befand.
Flucht – der einzige Ausweg. Das Auto – sie musste ihr Auto erreichen, sonst war sie verloren.
In panischer Angst riss sie sich hoch. Dabei trat sie auf die Sonnenbrille. Das Glas barst – sie merkte es nicht einmal. In ihrem Gehirn hämmerte nur dieser eine Gedanke: das Auto. Sie drehte sich um und rannte, so schnell sie nur konnte, davon.
Das Summen nahm zu – wurde zum Surren, Brausen, Dröhnen. Der Schwarm flog jetzt schon dicht hinter ihr.
Gloria Barneby rannte – rannte um ihr Leben.
Hundert Meter fehlten noch bis ans Ziel – noch achtzig … sechzig … fünfzig …
Da erreichten sie die ersten Tiere, ließen sich zu Tausenden auf ihren braunen Schultern nieder.
Grauen und Ekel packten Gloria. Sie spürte schmerzhafte Stiche. Es kam ihr vor, als fiele ein riesiger Mückenschwarm über sie her.
„Fort, fort mit euch – ihr elenden Biester!“ schrie sie hysterisch und schlug voller Todesangst um sich.
Die Tierchen flogen auf, ließen sich aber sofort wieder auf ihr nieder.
Überall saugten sie sich fest. Sie übersäten den schlanken Mädchenkörper mit ihren winzigen roten Leibern; hingen in dichten Trauben an Armen und Beinen. Sie bissen durch die zarte Haut und tranken gierig das Blut des Mädchens.
Jetzt schwebte die Hauptmasse des Keils über Gloria. Wie auf ein geheimes Kommando stürzte sich die Meute auf sie. Biss sich an ihr fest, stach sie in den Kopf, ins Gesicht, in Hals, Brüste und Schenkel.
Keuchend hetzte Gloria weiter, schlug dabei verzweifelt um sich.
„Nein – nicht – fort mit euch – Hilfe, Hilfe!“ schrie sie abgehackt.
Rasch erlahmten ihre Kräfte. Ein grauenhaftes Gefühl überkam sie, versetzte sie in rasende Panik: Ich werde ausgesaugt! Ich bin diesen kleinen Teufeln ausgeliefert – wie eine Fliege, die sich im Netz der Spinne verfangen hat.
Sie strauchelte, stürzte zu Boden, rappelte sich mit weit aufgerissenen Augen wieder auf, stolperte mit zitternden Knien weiter – halb besinnungslos vor Angst und Grauen.
Noch zwanzig Meter trennten sie vom rettenden Wagen … noch zehn … noch acht …
Da sackte sie unter dem Gewicht der riesigen Traube zusammen und fiel vornüber. Mit letzter Kraft krallte sie die rot lackierten Fingernägel in ein trockenes Grasbüschel. Noch einmal bäumte sie sich mit verzerrtem Gesicht auf, um gegen das Unvermeidliche anzukämpfen – dann schwanden ihr die Sinne.
„Beug dich nicht so weit vor, Liebling, sonst fällst du noch hinunter.“
Patricia Colder strich sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn und drehte sich zu ihrem Begleiter in dem giftgrünen Alfa um.
„Nun sag bloß, du hast Angst um mich, Ron“, bemerkte sie mit spöttischem Lächeln.
Ronald Marvin stieg aus und ging lachend auf sie zu.
„Wen soll ich denn sonst heiraten, wenn du über die Klippen runter segelst, he?“
Er trat neben sie auf den Felsvorsprung und blickte in die Tiefe. Gut achtzig Meter unter ihnen brandete die See gegen die Felsen.
Zärtlich legte er seinen Arm um ihre Schultern und zog sie zurück.
Patricia schaute lächelnd zu ihm hoch.
„Ich wüsste schon jemanden, der liebend gern meinen Platz an deiner Seite einnähme.“
„So – wen denn?“
„Gloria.“
„Eifersüchtig?“ fragte er anzüglich und küsste sie auf den Hals.
„Ein bisschen“, gab sie ehrlich zu. „Kein Wunder, gestern Abend hattest du nur Augen für sie. Dauernd hast du mit ihr geflirtet. Es sah so aus, als wäre sie
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