044 - Die Millionengeschichte
bedeuten hatte.
»Haben Sie etwas Neues erfahren?« fragte Jimmy.
»Ich sammle Material, damit Sie eine schöne Geschichte schreiben können. Der eingeschriebene Brief muß übrigens morgen hier eintreffen. Allem Anschein nach hat jemand von London aus Sands' Agenten in Marseille ebenfalls telegrafisch angewiesen, den Brief in Empfang zu nehmen. Die Polizei hat den Betreffenden sofort verhaftet, aber das geschah so spät, daß er die Möglichkeit hatte, vorher noch entsprechend nach London zu telegrafieren. Die französische Polizei ist überhaupt furchtbar langweilig. Es dauert eine Ewigkeit, bis die sich in Bewegung setzt. Als sie dann den Mann schließlich hinter Schloß und Riegel hatten, war das Unglück schon geschehen. Er verweigert jede Aussage darüber, wer sein Auftraggeber hier in London ist. Aber das macht ja weiter keine Schwierigkeiten, denn ich weiß es.«
»Ist es bestimmt Sands?«
Blessington nickte.
»Das unterliegt nicht dem geringsten Zweifel.«
»Haben Sie noch etwas Neues von Margaret Léman gehört?«
»Nein. Die Polizei in Marseille hat telegrafiert, daß sie dort nicht anwesend sei. Sie ist auch in keinem Hotel an der Riviera als Gast eingetragen. Wir können ohne weiteres annehmen, daß sie England niemals verlassen hat - vielleicht ist sie überhaupt nicht von London fortgekommen.
Ich möchte Sie übrigens noch warnen, Jimmy. Ich erzähle Ihnen das nicht etwa, um Sie unnötig zu erschrecken, aber sorgen Sie vor allem dafür, daß Ihre Freundin nicht in Gefahr gerät.«
»Was meinen Sie damit?«
»Wenn sie von ihren Einkäufen heute vormittag zurückkehrt, darf sie unter keinen Umständen mehr ausgehen, ganz gleich, wer sie einlädt. Auch nicht zu Theater, Konzert oder anderen Veranstaltungen, die junge Damen ohne Begleitung besuchen.«
»Sie haben mir noch nicht alles gesagt. Was halten Sie zurück, Blessington?«
»Gut, ich werde es Ihnen sagen«, erwiderte der Polizeiinspektor leise. »Ich habe unserem Agenten in Marseille den Auftrag gegeben, den Brief zu öffnen und mir den Inhalt telegrafisch mitzuteilen.«
Jimmy fragte nicht, aber sein Herz schlug schneller, und er wußte bereits, daß neue Unannehmlichkeiten und Sorgen für ihn auftauchen würden.
»Das Dokument, das der Brief enthielt«, fuhr Blessington fort, »ist ein Testament, das Harry Léman am Abend vor seiner Ermordung ausgefertigt hat. Und er hat darin sein ganzes Vermögen ohne Einschränkung seiner Nichte vermacht.«
Jimmy taumelte zurück, als ob er einen Schlag erhalten hätte.
»Sie wollen mich doch nur zum besten halten«, sagte er heiser.
»Durchaus nicht. Das steht im Testament. Und was noch wichtiger ist, die Urkunde ist von Margaret Léman gegengezeichnet.«
»Aber - aber«, stammelte Jimmy.
Der Inspektor schüttelte den Kopf.
»Was das alles zu bedeuten hat, kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen. Ich kann es nicht einmal vermuten. Sie sind der einzige, der diese merkwürdige Unterhaltung rekonstruieren kann, die an dem Abend vor Lémans Tod stattfand.«
»Ein Testament! Dann wird Faith also doch noch eine reiche Frau?«
Jimmy fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
Blessington sah, daß die Nachricht den jungen Mann mehr mitnahm, als er ursprünglich geglaubt hatte. Aber schließlich faßte sich Jimmy wieder.
»Ich kann natürlich nur Vermutungen aufstellen, aber ich denke mir den Hergang folgendermaßen: Aus Gründen, die wir noch erfahren werden, ging Margaret Maliko zu Lémans Haus. Allem Anschein nach war er nicht ihr Gatte, sonst hätte sie das Testament überhaupt nicht unterschrieben. Wahrscheinlich hat sie ihm alles eingestanden und als Gegenleistung von ihm verlangt, daß er sie in Sicherheit bringen sollte. Vermutlich hat sie Australien vorgeschlagen. Léman hat doch den Namen eines Schiffs aufgeschrieben, ebenso das Abfahrtsdatum und die Summe, die für die Reise notwendig war. Ich nehme an, daß sie ihm den Plan zu seiner Ermordung aufgedeckt hat, und ihre Mitteilung brachte ihn in solche Bestürzung, daß er kurz vor Toresschluß doch noch ein Testament machte, um die Intrigen der Gegenseite zu durchkreuzen und die anderen daran zu hindern, sich sein Geld anzueignen.«
»Es hängt alles zusammen«, stimmte Blessington zu. »Glauben Sie, daß die Frau im Haus war, als das Verbrechen begangen wurde? Um ein Verbrechen handelt es sich doch zweifellos.«
Jimmy nickte.
»Lassen Sie mich die Sache aufschreiben. Ich kann viel klarer denken, wenn ich eine Feder in der Hand
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