0440 - Odins Raben
verschlossen bleiben würde.
Das Weltentor war dünner als eine Folie. Es war nur von der Frontseite her zu sehen. Wer sich neben oder gar hinter ihm befand, konnte seine Anwesenheit nicht einmal ahnen.
Zamorra nickte Nicole zu und schritt hindurch in eine andere Welt. Seine Gefährtin folgte ihm.
Kaum hatten sie Château Montagne verlassen, als das Tor erlosch. Es hätte zu viel Energie gekostet, es für längere Zeit offen zu lassen. Es war auch so schon aufwendig genug. Denn in diesem Moment verlor Merlin entkräftet die Besinnung, als ihm die entsprechenden Energien aus der Ferne entzogen wurden, die er selbst in dieses Tor investiert hatte.
Von nun an brauchte Merlin wieder eine gewisse Zeit, sich davon zu erholen und wieder zu Kräften zu kommen. Aber er schaffte es nicht einmal mehr, auf eigenen Füßen die Tiefschlafkammer zu erreichen.
Er war zu schwach dafür geworden…
Zamorra und Nicole aber hatten Ash’Naduur erreicht.
***
Die Raben verrieten dem Einäugigen, daß abermals Energie des Amuletts freigesetzt worden war. Odin preßte die Lippen zusammen. Sein großer Schlapphut mit der breiten Krempe überschattete sein Gesicht, so daß nur andeutungsweise zu erkennen war, was darin vorging. Odins Auge blitzte zornig. »Merlin«, murmelte er. »Merlin, begreifst du immer noch nicht, was geschieht? Deine Zauberwaffe ist endgültig in die Hände der Ewigen gefallen! Ist nach Ash’Naduur entführt worden…«
Dorthin führte das Weltentor, das die Raben durch die geschlossenen Wände gesehen hatten.
Odin faßte den Speer fester.
Die Jagd trat ins nächste, gefährlichere Stadium. Odin mußte am Ball bleiben, wenn Merlin es schon nicht tat. Er mußte dem ERHABENEN mit dem gestohlenen Amulett nach Ash’Naduur folgen und ihn dort stellen und zur Rechenschaft ziehen, Ash’Naduur war eine Welt der Ewigen. Odin wußte, daß er es nicht einfach haben würde. Es gab dort niemanden, auf dessen Hilfe er sich verlassen konnte. Er war dort ein Fremder. Seine Welt war die Welt der Asen.
Doch das Fremde durfte ihn nicht abschrecken. Er mußte etwas tun, um eine Katastrophe zu verhindern.
Und Odin ging ebenfalls nach Ash’Naduur.
Die Kreatur sah aus wie eine Mischung aus Krokodil, Klapperschlange und Tausendfüßler.
Sie witterte eine Kraftquelle.
Diese Quelle war ganz plötzlich aufgetaucht. War einfach vom Himmel gefallen, mitten im schlimmsten Unwetter. Doch das Wetter selbst hatte das Hybridwesen noch nie interessiert. Wenn es im Freien ungemütlich wurde, zog es sich in den gewachsenen Fels zurück, in der Hoffnung, daß der nicht gerade mal von einem starken Säureregen zersetzt wurde. Denn der Säure konnte auch das Hybridwesen nicht widerstehen.
Jetzt aber war das Unwetter vorbei, der Sturm legte sich. Es bestand kaum noch Gefahr. Die Mischung aus Krokodil, Schlange und Raupe schob sich aus dem Felsen hervor. Da sah sie die Kraftquelle, die ihr aufgefallen war. Es war ein unscheinbarer, blau funkelnder Stein, der im kargen Geröll lag. Pflanzen gab es hier so gut wie gar nicht. Selbst Pilze, Moose und Flechten hatten in dieser Region Ash’Naduurs Schwierigkeiten.
Das Mischwesen sicherte nach allen Seiten. Aus dem aufklaffenden Krokodilmaul schob sich eine gespaltene Zunge, die sich bewegte und witterte. Wie bei Schlangen, saß auch hier der Geruchssinn in dieser Fühlerzunge.
Es gab keinen Feind in der Nähe.
Also glitt das Wesen endgültig aus dem schützenden Felsen hervor und auf den blau funkelnden Stein zu, der die Kraftquelle darstellen mußte. Dicht davor verharrte es.
Dann aber schnappte es zu. Das Krokodilmaul packte den blauen Sternenstein und - verschlang ihn.
Eine Sekunde später war das Wesen tot!
***
In Caermardhin war Sid Amos beunruhigt.
Anfangs war er heilfroh darüber gewesen, daß Merlin erwacht war. Nach so langer Zeit war er endlich wieder erschienen, um seine Aufgaben wahrzunehmen und Sid Amos freizugeben. Doch der Begeisterung war die Ernüchterung gefolgt, als Merlin seinem dunklen Bruder klar machte, daß er längst noch nicht wieder fähig war, seine Aufgaben in alter Frische wahrzunehmen. Da hatte Amos ihm nicht alles gesagt. Nur, daß in Ash’Naduur dringend etwas getan werden mußte.
Er hatte Andeutungen gemacht, die Merlin alarmiert hatten. Und so hatte Merlin Zamorra gegenüber selbst auch nur Andeutungen machen können, als er ihn beauftragte, sich um das Problem zu kümmern. Denn Merlin konnte es nicht. Was er getan hatte, war schon viel, wenngleich es
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