0441 - Astaroths Amazonen
Ash’Naduur ausgelöscht würden.«
»So kann man es sehen«, sagte Tendyke.
»Aber könnte es nicht sein, daß gerade jetzt anderes Leben dort ist?«
Tendyke runzelte die Stirn. »Wie kommst du darauf? Sicher könnte es sein. Ich kann es weder bejahen noch verneinen, denn seit wir hier sind, habe ich so gut wie keinen Kontakt mehr zur Außenwelt. Aus gutem Grund, wie du weißt. Jeder Kontakt könnte Verrat bedeuten. Und eine magische Bombe reicht mir.«
»Ich glaube, es ist jemand nach Ash’Naduur gegangen«, sagte Julian.
»Wer?«
Jetzt war es der Junge, der leise lachte. »Robert, woher soll ich das wissen? Ich kenne ihn doch nicht… ich hatte doch nie Gelegenheit, jemanden kennenzulernen!«
Tendyke spürte es als Vorwurf. Er wollte etwas sagen, eine Erklärung hervorbringen, aber Julian schüttelte nur den Kopf.
»Ich weiß nur, daß ich eine Ähnlichkeit sehe. Aber sie ist nicht äußerlich.«
»Ähnlichkeit? Mit wem?« stieß Tendyke hervor.
»Auch das… kann ich nicht erkennen… aber ich glaube, man sollte… ihnen helfen!«
Seine Stimme war immer leiser geworden, bis Tendyke sie kaum noch vernehmen konnte. Helfen? Sicher! Aber wie?
Darauf wußte auch er keine Antwort.
***
Rax wußte nicht, wie ihm geschah. Es mußte ein Wunder sein. Denn anders konnte er es sich nicht erklären, daß die Amazonen wieder umgekehrt waren. Dabei hätten sie ihn in den nächsten Sekunden entdeckt und aufgescheucht. Sie waren doch nur noch ein paar Schritte von dem Strauchwerk entfernt gewesen, hinter dem er sich verbarg.
Aus tränenverschleierten Augen sah Rax den Kriegerinnen hinterher.
Es ist unmöglich, dachte er. Sie können mich nicht verschont haben. Ich habe eine Erinnerungslücke. Es hat einen Kampf gegeben, und ich bin tot. Und deshalb gehen sie jetzt und haben meinen Leichnam hier zurückgelassen…
So mußte es sein.
Aber dann schüttelte er den Kopf. Wenn er tot war, warum spürte er dann noch die Schmerzen seiner Verletzungen und Prellungen? Er kniff sich in den Unterarm und unterdrückte nur mühsam einen Schmerzlaut. Er lebte, und er träumte nicht. Trotzdem zogen die Amazonen ab, ohne ihn mitgenommen zu haben.
Tief atmete er durch.
Er begriff es nicht. Es entsprach absolut nicht dem Verhalten, das er von ihnen kannte. Und er konnte sich auch nicht vorstellen, daß sie an den anderen Opfern genug hatten.
Wer waren die überhaupt?
Seltsame Kleidung trugen sie, die die Körper völlig bedeckten. Nur Köpfe und Hände blieben frei. Mußte das nicht absolut lästig sein? Rax konnte sich nicht vorstellen, sich dermaßen einzuhüllen. In dieser Kleidung mußte man doch ständig schwitzen, und sie behinderte auch jede Bewegung!
Sogar die beiden Frauen - die Gefesselte über der Schulter einer Amazone, und die andere, die sich frei zwischen ihnen bewegte und deren Augen selbst über die Entfernung hinweg so hellgrün geleuchtet hatten, verbargen ihre Körper unter ihrer Kleidung! Das war für Rax noch unverständlicher.
Er sah den Verschwindenden nach. Was sollte er tun? Am besten wäre es, wenn er sofort zürückging, ehe sie es sich anders überlegten und sich seiner doch noch annahmen. Außerdem war da der von den Amazonen erlegte Goldpelztiger, den sie achtlos zurückgelassen hatten. Wenn Rax Glück hatte, war das Fell weitgehend unversehrt, und er konnte es noch für einen einigermaßen akzeptablen Preis verkaufen. Und das war eine nur gerechte Entschädigung für das, was er bisher ausgestanden hatte.
Immerhin hatte ja auch schließlich er das Biest erlegen wollen…
Aber andererseits war da seine Neugier, um wen es sich bei diesen fremden Gefangenen und der Frau in der silbernen - Kleidung und mit dem silberhellen Haar handelte, die anscheinend frei war.
Denn sie hatten ihm schlußendlich die Möglichkeit zur Flucht verschafft. Wenn die Amazonen nicht plötzlich losgestürmt wären, um die Fremden zu überfallen, hätte Rax möglicherweise keine Chance mehr gehabt, sich zu befreien.
An sich war er deshalb den Fremden etwas schuldig. Nicht nur, daß er wissen wollte, wer sie waren, er mußte auch versuchen, ihnen zu helfen. Denn er glaubte nicht, daß sie sich freiwillig in die Gewalt der Amazonen begeben hatten, um sich deren Dämon opfern zu lassen. Sie hatten ahnungslos Rax geholfen, und nun wollte Rax ihnen helfen.
Also verdrängte er den Gedanken an schleunige Flucht und den Goldpelztiger, und folgte den Amazonen.
Und unsichtbar folgte ihm dann Odin.
***
Seine Raben
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