0441 - Die Beerdigung
Äußerlich war der Unterschied nicht feststellbar, und doch war es für ihn eine fremde Pistole.
Suko steckte sie in seinen Gürtel, bevor er abermals seinen toten Freund abtastete.
Er fühlte die Wunde, glitt, obwohl John tot war und nichts spürte, vorsichtig darüber hinweg und wunderte sich abermals, daß er den Dolch nicht fand.
Das war in der Tat außergewöhnlich.
Seit John sich die Waffe von Baal zurückgeholt hatte, war praktisch keine Stunde des Tages vergangen, an der er die Waffe nicht bei sich getragen hätte.
Freiwillig gab er sie nicht ab. Weshalb hatte er sie genau an diesem Tag zu Hause gelassen?
Blieb das Kreuz!
Suko hätte es schon längst fühlen müssen, weil es zumeist auf der Brust des Geisterjägers lag, aber auch hier fand er nichts, so sehr er auch danach suchte.
Das Kreuz war verschwunden!
Es kostete ihn Überwindung, seine Hände um die Leiche zu legen und diese anzuheben. Suko wollte auch den Rücken untersuchen, aber auch an diese Stelle war das Kreuz nicht gerutscht. Schließlich mußte der Chinese einsehen, daß John seine wertvolle Waffe nicht bei sich trug.
Kein Kreuz und keinen Dolch, aber eine fremde Beretta! Wie paßte das zusammen?
Überhaupt nicht, dachte Suko, als er sich aufrichtete. Da stimmte einiges nicht. John Sinclair war tot, daran wollte er nicht rütteln, aber weshalb trug er seine Waffen nicht bei sich? Er war kein Typ, der sie freiwillig hergab, hier hatte irgend jemand dran gedreht.
Erst jetzt merkte Suko, daß ihn die innerliche Erregung den Schweiß auf die Stirn getrieben hatte. Obgleich er es nicht wahrhaben wollte, fühlte er sich auf eine gewisse Art und Weise auf den Arm genommen, vielleicht auch ausgetrickst von irgendeinem Gegner, den er nicht kannte und der John manipuliert hatte.
Costello?
Der Name kam dem Inspektor sofort in den Sinn. Logan Costello hatte beim Yard angerufen und seinen Triumph praktisch hinausposaunt.
Sollte John etwa mit Costello kurz vor seinem Tod noch Kontakt gehabt haben?
Das war möglich. Vielleicht hatte Costello ihn angerufen und sich mit ihm getroffen. Jane Collins hatte den Geisterjäger ja ebenfalls gesehen, er war nicht nach Belgien geflogen, wie er es vorgehabt hatte. Zudem war er ein wenig verändert aus Germany zurückgekehrt. Da hatte er doch allerhand mitmachen müssen und möglicherweise schon so etwas wie Vorahnungen gehabt, was seinen Tod anbetraf.
Die Sache war sehr verzwickt, das gab Suko zu, doch jetzt wuchs ein anderes Gefühl in ihm.
Der Keim des Mißtrauens!
Suko, der vom Tod seines Freundes geschockt gewesen war, begann damit, dieses Erlebnis allmählich abzuschütteln, und er dachte daran, den Fall von einer anderen Seite aufzurollen.
Er hatte Logan Costello eine Galgenfrist versprochen. An sie wollte er sich nicht mehr halten.
Sollte er jetzt schon zu ihm hingehen?
Nein, ihm fiel noch etwas ein. Das Mißtrauen war größer geworden, und er wußte plötzlich, daß er noch etwas erledigen mußte.
Wieder blieb er am Kopfende des Sargs stehen und beugte sich vor, damit er in Johns Gesicht schauen konnte. Sehr genau tat er das, aber das Zucken des Lichts und auch die huschenden Schatten auf der Haut ließen ein genaues Sehen nicht zu.
Er brauchte mehr Licht.
Auch als Nichtraucher trug Suko stets ein Feuerzeug bei sich. Er holte es hervor und knipste es an.
Mit der freien Hand griff er in das Haar des Toten. Auch das kostete Suko Überwindung, mußte aber sein. Der Inspektor drückte den Kopf seines toten Freundes nach links, damit die rechte Gesichtshälfte frei lag, denn dort befand sich die kaum noch zu erkennende sichelförmige Narbe auf der Wange des Geisterjägers.
John war nicht eitel, er hatte sie nie überschminken lassen, wie andere das wohl getan hätten. Außerdem war die Narbe nur zu sehen, wenn man genau hinsah.
Das tat Suko.
Nur kam er nicht mehr dazu, denn in seinem Rücken, ungefähr dort, wo sich der Eingang befand, hörte er das leise Knarren der Tür.
Blitzschnell kam Suko hoch und trat aus dem Licht des Kerzenscheins.
Seine Sinne kündigten ihm die höchste Alarmstufe an…
***
Der Wagen rollte durch Soho!
Düster, dunkel lackiert und mit einer Ladefläche versehen, auf die ein Sarg paßte.
Vier Männer saßen im Fahrzeug. Männer, die wußten, worauf es ankam.
Männer mit kantigen Gesichtern und harten Augen. Killer, wie sie die Mafia immer wieder hervorbrachte und für spektakuläre Aufträge benutzte.
Für diesen Job hatte man sie besonders instruiert.
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