0441 - Die Beerdigung
Der erste große Gegner, den Suko und John gemeinsam bekämpft hatten.
Von diesem Zeitpunkt an, als Suko zu einem Heimatlosen geworden war, galten die beiden praktisch als unzertrennlich. Sie blieben zusammen, zunächst nur aus Freundschaft, später war Suko als Inspektor bei Scotland Yard eingestiegen.
Ein Novum, aber er hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt schon soviel Verdienste erworben, daß gewisse Rücksichtnahmen einfach übergangen werden konnten.
Seite an Seite hatten die beiden Männer gegen Dämonen und schwarz magische Geschöpfe gekämpft. Sie hatten dem Teufel die Stirn geboten, sie waren härter als er, und der Tod hatte fast bei jedem gemeinsamen Fall seine Knochenhand nach ihnen ausgestreckt.
Bisher war es ihnen stets gelungen, diesem endgültigen Streicheln der Knochenklaue auszuweichen. Diesmal aber nicht. Es hatte John Sinclair erwischt.
Man hatte ein Komplott gebildet, er war in eine Falle gelaufen, die andere gestellt hatten.
Menschen unter anderem.
Logan Costello.
Gedungene Killer waren auf Johns Fersen gesetzt worden und hatten ihn niedergemäht. Wieder tauchte genau dieses Geschehen, das erst so kurz zurücklag, vor Sukos Augen auf.
Er sah den Geisterjäger fallen. Kugelgarben hatten ihn erfaßt und auf die Straße geschleudert. John blutete aus zahlreichen Wunden, und sein bester Freund hatte mit ansehen müssen, wie das Leben praktisch aus seinem Körper floß.
Und jetzt lag er vor ihm.
Noch immer trug er seine Kleidung. Das Blut war inzwischen getrocknet und hatte sich als Kruste auf die Kleidung gelegt. Auch im schwachen Schein der Kerzen konnte Suko einige Kugellöcher zählen. Johns Gesicht war ebenfalls verschmiert, der Mund stand offen, ein Rinnsal rann noch aus dem Lippenwinkel und war verklebt.
John hatte kurz vor seinem Ende schreckliche Schmerzen erleiden müssen, und das war ihm auch anzusehen. Andere starben friedlich, Sinclair war so gestorben, wie er gelebt hatte.
Im Kampf…
Suko konnte es sich noch immer nicht vorstellen, daß es keine Gemeinsamkeiten mehr zwischen ihnen gab. Er konnte seinen Freund nicht mehr fragen, und umgekehrt war es ebenso. Sich darüber klarzuwerden, war für den Inspektor so gut wie unmöglich. Damit wollte er sich in diesem Augenblick der anfänglichen Totenwache nicht abfinden.
Er blieb nicht mehr am Fußende des Sargs stehen, sondern bewegte sich an der Seite entlang auf das Kopfende zu, wo er schließlich seinen Schritt verhielt und in Johns Gesicht schaute.
Es wirkte so vertraut und gleichzeitig auch so unnatürlich fremd. Der offene Mund, die ebenfalls geöffneten Augen, das alles wollte nicht zu ihm passen.
Der Inspektor spürte die Wärme der Kerzenflammen, als er sich nach vorn beugte, den Arm ausstreckte, um die Haut im Gesicht des Geister Jägers zu berühren.
Er wollte auf diese Art und Weise Abschied nehmen, doch seine Rechte zuckte zurück, kaum daß die Fingerspitzen Kontakt mit der Haut gefunden hatten.
Sie war so kalt, gleichzeitig schwammig und weich. Man konnte sie mühelos eindrücken, was Suko aber nicht tat.
Suko, der sich mit Toten auskannte, wunderte sich, daß sich Johns Haut innerhalb weniger Stunden so verändert hatte. Eine Erklärung hatte er nicht, vielleicht hätten Mediziner eine gefunden. Es kam noch etwas anderes hinzu. Zum erstenmal seit John Sinclairs Tod hatte Suko das Gefühl, neben einem Fremden zu stehen und nicht neben seinem Freund John Sinclair.
Der Inspektor unterdrückte das Gefühl. Er wollte sich nicht beirren lassen und dachte wieder realistischer. Dies hieß unter anderem, daß John ihm, hätte er ein Testament hinterlassen, sicherlich die Waffen vermacht hätte.
Beretta und Kreuz. Den Bumerang sowie den Dolch.
Suko wollte das an sich nehmen, was John Sinclair auch als Toter bei sich trug.
Seine Hände glitten unter das Jackett. Mit zielsicherem Griff fand er die Waffe, zog sie hervor, wog sie in der Hand und hielt sie gegen das Licht der Kerze.
Etwas stimmte da nicht…
Suko war ein wenig überreizt, das gab er selbst zu, aber er glaubte auch nicht an eine Täuschung. Die Waffe war zwar eine Beretta, aber sie gehörte nicht John Sinclair.
Suko kannte Johns Beretta. Er hatte sie oft genug in der Hand gehalten.
Sie war ihm fast ebenso vertraut wie dem Geisterjäger selbst. Diese hier fühlte sich anders an. Er konnte nicht einmal sagen, ob sie schwerer oder leichter war, er hatte es einfach im Gespür, daß sie fremd war.
Suko brachte sie noch näher an den Schein der Kerzen.
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