0441 - Die Beerdigung
Sie mußten behutsam vorgehen, durften sich keine Fehler erlauben, denn es ging darum, eine Leiche zu entführen.
Aber nicht irgendeinen Toten, sondern einen Mann namens John Sinclair. Und sie wußten auch, wo sie hingeschafft worden war. Nicht umsonst waren sie dem Chinesen auf den Fersen geblieben und hatten den Wagen keine Sekunde aus den Augen verloren.
Daß ihr Ziel in Soho lag, darüber wunderten sie sich, nahmen es aber mit ihrer typischen Gangster-Gelassenheit hin. Ob Soho oder Chelsea, sie waren bereit, überall eine Hölle zu entfesseln.
Das Vergnügungsviertel ließen sie hinter sich und gerieten in die Gassen der alten Wohnbezirke.
Durch diese Gassen rollten sie auch und wunderten sich, daß der Wagen mit der Leiche und dem Chinesen plötzlich verschwunden war.
Der italienische Fahrer fluchte in seiner Heimatsprache, fuhr einmal um den Block, ohne aber das Fahrzeug entdecken zu können.
»Und jetzt noch mal langsamer!« sagte ein Mann vom Rücksitz. »Wenn wir die Karre aus den Augen verlieren, gibt es Zoff. Dann macht uns der Chef einen Kopf kürzer.«
»Er kann sich ja nicht in Luft aufgelöst haben.«
Der Mann im Fond lachte. »Bei dem ist alles möglich, sage ich dir. Das ist ja nicht normal. Oder habt ihr schon mal einen Toten abgeholt, um ihn zu verscharren?«
»Nein.«
»Na bitte.«
Der Fahrer beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Er suchte den Leichenwagen und fand auf seinem Rückweg tatsächlich eine schmale Straße, die er übersehen hatte.
Kurz vor der Einmündung bremste er. Hinter ihm befand sich kein anderes Fahrzeug, und aus den Fenstern der in der Nähe stehenden Häuser schaute auch niemand hervor.
»Soll ich in die Gasse fahren?«
»Sicher.«
Sehr vorsichtig lenkte der Mann den schweren Wagen nach links, und die lange Kühlerschnauze schob sich wie ein Bollwerk in die Lücke zwischen die beiden Hauswände.
Sie war breit genug, um das Fahrzeug aufnehmen zu können. Bald erreichten sie das Ziel. Es war ein Platz, zu dem von verschiedenen Seiten zwei Wege führten und sich an der spitzwinkligen Seite des Platzes trafen. Die beiden Wege rahmten ein Grundstück ein, auf dem ein Bauwerk stand, das Ähnlichkeit mit einer Kirche oder einem Tempel aufwies.
Die Grenzen des Grundstücks wurden von zwei Zäunen markiert. Das interessierte die Männer nicht, für sie war der Leichenwagen wichtig, über dessen Karosserie das bleiche Licht der Scheinwerfer fiel.
»Mach die Dinger aus!« zischte der Mann im Fond.
Der Fahrer gehorchte sofort. Im Dunkeln rollten sie weiter und fuhren so, daß sie den Wagen drehen konnten. Für einen Moment senkte sich das Schweigen über das Fahrzeug. Niemand redete, ein jeder wußte, was er jetzt zu tun hatte, aber die Männer ließen sich noch Zeit.
Sie richteten ihre Blicke auf die Kirche oder den Tempel.
Der Beifahrer unterbrach das Schweigen mit einer spöttischen Bemerkung. »In einer Kirche war ich seit meiner Taufe nicht mehr.«
»Das ist auch keine Kirche!«
»Was denn?«
»Irgendein Tempel.«
»Meinst du, daß der einer Sekte gehört.«
»Kann schon sein.«
»Hört auf, ihr da vorn!« meldete sich der Mann aus dem Fond, der so etwas wie der Boß dieser Männer war. »Wir werden jetzt aussteigen und uns den Toten holen.«
»Klar.«
Vorsichtig öffneten sie die Türen. Sie schwangen auf wie große Flügel, und es entstand tatsächlich so gut wie kein Geräusch. Obwohl die Männer es eilig - hatten, überstürzten sie nichts und verließen den Wagen mit sehr bedachten Bewegungen.
Zwei von ihnen hielten ihre Waffen bereits in den Händen. Der blanke Stahl ihrer Maschinenpistolen schimmerte in der Dunkelheit und warf hin und wieder Reflexe.
Sie hatten den Auftrag, die Leiche abzuholen. Sollte man ihnen Schwierigkeiten bereiten, würden sie nicht zögern, von den Schußwaffen Gebrauch zu machen.
Zum Glück lag auf dem Weg kein Kies. Sie schritten über den blanken Asphalt, und wenn sie ihre Schritte vorsichtig setzten, waren sie kaum zu hören.
Hintereinander gingen sie. Der eine sicherte den anderen ab. So wirkten sie wie Söldner, die sich auf einen harten Einsatz vorbereiteten und auf nichts Rücksicht nahmen.
Es war nicht völlig dunkel. Zwar hatte sich bereits die Finsternis über die Stadt gelegt, aber beim Näherkommen erkannten die Killer, daß hinter den Fenstern des Tempels Licht brannte.
Es war kein normaler Schein, der von einer Lampe abgegeben wurde, mehr ein unruhiges Flackern, das die Umrisse der Fenster genau
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