0441 - Die Beerdigung
daß sie dieses Umfeld nicht lautlos durchqueren konnte. Jane hatte das Gefühl, als wäre jeder Schritt von ihr meilenweit zu hören.
Wenn die anderen in der Nähe lauerten, mußten sie etwas von ihrem Kommen merken, vorausgesetzt, sie waren nicht taub.
Jede Qual im Leben hat einmal ein Ende. Auch Janes Wanderung durch diesen sperrigen Dschungel, und sie atmete befreit auf, als sie die letzten Zweige zur Seite geschoben hatte und sich endlich besser bewegen konnte.
Jane lief über einen dichten Rasen, der schon ziemlich hoch gewachsen war. Alter Baumbestand umgab sie. Hohe Eichen und auch Buchen bildeten durch ihr dichtes Blattwerk einen Sichtschutz gegen die Sterne und den halbrunden Mond am Himmel.
Die ersten Grabsteine erschienen fast zusammen mit den dünnen Nebelschleiern, die aus Richtung Süden über die Begrenzung des Friedhofs krochen und die Gegend erreichten, in der sich Jane Collins bewegte. Noch hielten sie sich in Bodenhöhe, verdichteten sich aber sehr schnell, so daß Jane das Gefühl hatte, über Watte zu gehen.
Manchmal kamen ihr die Grabsteine vor wie alte Gespenster, die zum Leben erwacht waren und nun mit ihren knorrigen Armen versuchten, die Detektivin aufzuhalten.
Sie sah die großen, wuchtigen Steinkreuze. Unterschiedliche Formen zeigten an, daß die verstorbenen verschiedenen Religionen angehört hatten.
Sogar ein ägyptisches Henkelkreuz aus grüngrauem Stein geriet in ihr Blickfeld.
An ihm schob sie sich vorbei. Sie war dabei auch über das Grab gegangen, und ihre Füße sanken noch tiefer in die feuchte Erde. Das alte Laub raschelte unter ihrem Gewicht. Neben dem Kreuz blieb sie stehen und stützte sich an dem kalten Stein ab. Sie stand dicht vor einem kleinen Hang oder einer Böschung, die sie hochgehen mußte, um ein weiteres Etappenziel zu erreichen.
Oberhalb der Böschung sah sie die größeren Gräber. Schon fast kleine Häuser. Manche waren den altgriechischen Tempeln nachempfunden, mit Vorbauten, die von Säulen getragen wurden.
Der Hang war bewachsen. Das Buschwerk stand hier dicht und war ineinander so stark verfilzt, daß es fast unmöglich war, ohne Haumesser hindurchzukommen.
Zudem wuchsen vor und zwischen den Zweigen zahlreiche Efeuranken, deren peitschenartige Zweige sich an den anderen Gewächsen festklammerten.
Bisher hatte sich Jane Collins gut auf ihre Umgebung und auf die Stimmen der Nacht einstellen können. Sie hatte sich auch einigermaßen beruhigt und sah ihre Aufgabe ganz cool, bis zu dem Zeitpunkt, als sie plötzlich oberhalb des Hangs Geräusche vernahm.
Zunächst nur Schritte, dann kamen Stimmen hinzu.
Sie klangen sogar rauh. Und einmal fluchte jemand wütend.
Da wußte Jane Collins Bescheid.
Sie hatte die Killer gefunden!
***
Auch die drei Mafiosi hatten mit ihrer makabren Last den Brompton Cemetery erreicht. Sandro war derjenige, der auch hier das Sagen hatte, und er gehörte zu den Typen, denen das Mißtrauen mit in die Wiege gelegt worden war.
Er machte sich Vorwürfe, daß er Mario mit dem Chinesen allein gelassen hatte. Er hätte besser selbst die Ermordung des Chinks übernehmen sollen, aber Mario war so wild darauf gewesen, mal wieder einen Bullen umzulegen, daß er ihm diesen Wunsch einfach nicht hatte abschlagen können. Wohl war ihm dabei jedoch nicht gewesen.
Noch etwas kam hinzu.
In der Nacht herrscht auch in London wenig Verkehr, und er hatte das Gefühl gehabt, verfolgt zu werden. Fast die gesamte Fahrstrecke über hatte er das. Scheinwerferpaar im Rückspiegel beobachten können.
Schließlich war der Wagen vorbeigefahren, als sie ihr Ziel, den Friedhof, erreicht hatten.
Jetzt rollten sie über den Brompton Cemetery. Die drei wußten auch, daß sie nicht bis an die Grabstätte heranfahren konnten, dafür war das Gelände einfach nicht geeignet. Sie mußten das Fahrzeug vorher stehenlassen und zu Fuß weitergehen.
Was vor allen Dingen den beiden Trägern nicht paßte. Sandro würde nicht mit anfassen, das war unter seiner Würde.
Noch fuhren sie auf einem normalen Weg. Zu beiden Seiten lagen die Gräber, flache, weite Felder mit unzähligen Kreuzen oder Steinen.
»Wann soll ich halten, Sandro?« fragte der Fahrer.
»Ich sage dir Bescheid.«
»Okay.«
Bald löste Kies die Teerdecke ab. Die Fahrbahn verschlechterte sich.
Der Wagen schwankte, wenn er durch Schlaglöcher oder über kleine Hindernisse fuhr.
Der Sarg auf der Ladefläche rumpelte bei jedem Stoß, den das Fahrzeug abbekam. Doch das störte die Männer
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