0443 - Einer hat den Mord gefilmt
zurückgekommen. Er übergibt ihr die Aktentasche.«
Ich drehte mich um. Ich sah, wie das Mädchen die jetzt pralle Aktentasche übernahm. Dann durchquerte sie die Schalterhalle und kam auf den Ausgang zu, dem ich rasch wieder den Rücken zukehrte. Ich hatte eine Idee. Auf dem Tisch des Wächters stand ein Telefon.
»Welche Nummer hat der Apparat am Auszahlungsschalter?«
»442!«
Ich wählte die Nummer. Ein Mann meldete sich mit: »Auszahlung. Grown.«
»Sie sprechen mit dem FBI-Beamten Jerry Cotton, Mr. Grown«, sagte ich. »Zeigen Sie keine Überraschung! Blicken Sie zur Portiersloge! Sie sehen meinen Rücken. Ich hebe jetzt die linke Hand!« Ich griff an meinen Hut. »Alles in Ordnung? Wollen Sie mir eine Auskunft geben?«
»Selbstverständlich, Sir!«
»Holte die Frau, der Sie die Aktentasche übergaben, Geld ab?«
»Jawohl, Sir! Mrs. Snyder holte fünfzigtausend Dollar ab, die gestern auf ihr Konto 45 42 02 eingezahlt wurden.« Der Wächter räusperte sich. »Die Lady ist gerade hinausgegangen. Sie hat Sie nicht angesehen, Sir«, meldete er.
»Danke für die Auskünfte, Mr. Grown!« Ich legte auf und verließ die Portiersloge. Renée Duval stand am Rand des Bürgersteiges und versuchte, ein Taxi auf sich aufmerksam zu machen.
Ich blieb in der Deckung- des Bankeinganges, bis es ihr gelungen war.
Nachdem sie eingestiegen war, ging ich zum Ford und brachte ihn in Gang. Ich war mächtig besorgt, den Anschluß zu verpassen, aber schon an der nächsten Ampel, die im richtigen Augenblick auf Rot sprang, erwischte ich das Taxi mit der Frau und einer Fünfzigtausend-Dollar-Aktentasche an Bord.
Ich richtete mich auf eine Menge aufregender Dinge ein, die nach meiner Meinung in den nächsten dreißig Minuten abrollen mußten, und ich teilte es Phil per Sprechfunk mit. Ich gab ihm Alarmstufe I.
Zehn Minuten später wußte ich, daß ich voreilig Alarm gegeben hatte. Das Taxi steuerte die 36. Straße an. Es stoppte vor dem Haus, vor dem ich seit fünf Uhr Wache gehalten hatte.
Renée Duval zahlte und ging wieder ins Haus, nicht anders als eine Hausfrau, die eingekauft hatte. Ich suchte mir einen Abstellplatz für meinen unauffälligen Wagen. Ich rief Phil und sagte ihm, was geschehen war.
»Bedeutet das nicht, daß Writer sich in der Wohnung aufhält?« fragte Phil.
»Möglich, aber ich wage noch nicht nachzusehen. Das Girl ist die einzig vernünftige Fährte, die wir bis jetzt gefunden haben. Ich möchte sie nicht durch eine voreilige Aktion verschütten. Wenn Writer sich in der Wohnung befindet, kann er sie nicht verlassen, ohne von uns gesehen zu werden. — Warten wir also ab, was weiter geschieht!« Phil antwortete mit einem Seufzer. Er haßte das Warten genauso wie jeder G-man. Sie werden es kaum glauben, aber leider besteht die Hälfte unseres Jobs aus Warten. Warten darauf, daß jemand einen Fehler macht — Warten vor einem Haus, ob jemand herauskommt oder hineingeht — Warten, daß die Regierung endlich eine kleine Gehaltserhöhung für Beamte im Staatsdienst beschließt.
***
Renée Duval rauchte die zweite Marihuana-Zigarette. Früher hatte sie selten vor dem späten Nachmittag geraucht. Jetzt genügte eine Zigarette nicht mehr, um ihre Nerven zu beruhigen und ihr das Gefühl zu verschaffen, daß ihr alles gelingen müßte, weil sie stark, sicher und intelligenter sei als andere.
Als die dritte Zigarette an der Glut der Kippe angezündet war, lächelte das Mädchen. Armer, armer Harry! Armer Narr, der glaubte, sie als Werkzeug benutzen zu können!
Zum Teufel, was brachte ihn auf den Gedanken? Als Mann sah er erbärmlich aus. Außerdem trank er, und sein nervöses Gezappel war gerdezu widerlich.
Sie hob den Arm, lehnte sich zurück und betrachtete das Armband. Ihr Lächeln vertiefte sich. Hm, Richard Black war aus anderem Holz geschnitzt! Ein Mann, den andere fürchteten.
Ein Mann, der aussah wie ein Held.
Sie sah sich an Blacks Seite, die gefürchtete Freundin des gefürchteten Gangster-Boß. Alle, die sie früher schä big behandelt hatten, würden dann den Nacken vor ihr ducken müssen.
Das Lächeln blieb auf ihren Lippen, als das Telefon schrillte und sie den Hörer abnahm.
»Hat alles geklappt?« fragte Writer.
Renée lehnte sich zurück. »Selbstverständlich, Harry! Auf meinen Knien liegen fünfzigtausend Dollar.«
»Großartig! Paß auf, Süße! Du fährst mit der Subway bis…«
Sie unterbrach ihn. »Wieviel gibst du mir diesesmal ab?«
»Was soll die Frage? Selbstverständlich
Weitere Kostenlose Bücher