0443 - Lady Panthera
Tappen irgendwelcher Raubtierpfoten.
Deshalb versuchte er es.
Obwohl das Gitter hoch genug hing, duckte er sich, als er die Einfahrt betrat.
Suko bekam den Eindruck, in eine Todeszelle zu gehen. Er schritt auch nicht weiter und blieb zwei Schritte hinter dem hochgeschobenen Gitter stehen.
Suko besaß zwar keine Sensoren, aber seine Nerven reagierten ähnlich.
Äußerlich war er sehr ruhig, doch er schickte seine unsichtbaren Antennen aus, um herauszufinden, ob sich irgend etwas tat.
Keine direkte Gefahr, aber ihm gefiel der Platz zwischen den Wänden nicht. Hier hatte sich die Luft noch mehr gestaut. Wenn er atmete, hatte er das Gefühl, Blei zu trinken. Auch der Geruch passte ihm nicht.
Es stank nach Abfall und Verfaultem.
Das Knarren ließ ihn herumfahren. Suko befand sich noch in der Bewegung, als er sah, was geschehen war.
Vor ihm fiel das Rollgitter.
Es raste tatsächlich herunter wie ein Fallbeil und ließ sich durch nichts aufhalten. Hart schlug es auf den Boden und versperrte die Einfahrt.
Da passte keine Maus mehr durch. Suko starrte das Gitter an. Das Metall schimmerte in einem Grauton nach. Es gab für den Chinesen nur mehr den einen Weg, und der würde genau in die Falle führen, die man ihm gestellt hatte.
Es gab keine Türen rechts und links in den Wänden der Einfahrt. Nur eben den Weg nach vorn.
Und den nahm Suko. Er war auch bereit, den Kampf aufzunehmen. Zudem trug er Waffen bei sich, die nicht ohne waren. Der Inspektor zog die Dämonenpeitsche, schlug einmal den Kreis, und die drei Riemen konnten hervorrutschen.
Einsatzbereit streckte er sie wieder zurück in den Gürtel. Nur seine eigenen Laufgeräusche begleiteten ihn. Jedes Raubtier besitzt einen gewissen Geruch. Suko rechnete damit, dass auch der Panther keine Ausnahme machte.
Aber er nahm ihn nicht wahr. Dafür näherte er sich dem Ende der schmalen Einfahrt, die in einen von hohen Wänden umschlossenen Hinterhof mündete. Über dem Geviert lag der nachtdunkle Himmel. - Wolken hatten die Gestirne verdeckt. Es drang kaum Licht auf die Erde, und erst recht nicht in den stinkenden Hof.
Wo steckte der Panther?
Suko tastete sich mit den Blicken in die vor ihm liegende Finsternis. Nur die Schatten der ihn einkreisenden Wände nahm er wahr, aber nicht das Raubtier.
Doch er sah das Leuchten.
Es waren keine Lampen, die man angezündet hatte, auch keine Kerzen, dafür strahlte das Licht einfach zu ruhig und zudem in einem dunkelroten Schein.
Der wirkte zunächst noch verschwommen. Je mehr er sich dem Chinesen allerdings näherte, um so klarer trat er hervor, und Suko erkannte die Zeichen.
Es waren sechseckige Sterne, die Hexagramme König Salomos!
Sie näherten sich ihm von drei verschiedenen Seiten. Zuerst glaubte Suko daran, dass sie in der Luft schweben würden, das allerdings erwies sich als Irrtum. Wenig später schon sah er die schemenhaften Gestalten, die die Hexagramme trugen.
Sie steckten auf langen Stäben, die sich ebenfalls schwach abzeichneten. Und Suko hörte die Stimmen. Murmelnd, flüsternd und leise. Trotzdem rann es ihm kalt über den Rücken.
»Er hat den König beleidigt. Er wollte unseren Meister nicht anerkennen, wir müssen ihn bestrafen. Das Siegel Salomos wird ihn zerstören…«
Suko blieb ruhig, aber seine Hand lag auf dem Griff der Dämonenpeitsche. Er war bereit, sie jeden Augenblick zu ziehen und knallhart einzusetzen.
Noch taten die anderen ihm nichts, und noch entdeckte Suko auch den Panther nicht. Der Hof war dunkel genug, so dass er sich verborgen halten konnte.
Der Inspektor hoffte, dass man die Bewegung seiner linken Hand nicht sah, als er nach der kleinen Lampe tastete, sie hervorholte und einschaltete. Er richtete den Strahl dorthin, wo die Gestalt in der Mitte stand und die lange Stange festhielt.
Sie traf!
Suko war überrascht. Um den Stab mit dem glühenden Hexagramm kümmerte er sich nicht, denn der Lampenschein hatte das Gesicht der Gestalt getroffen, und Suko glaubte, eine Mumie vor sich zu haben.
Die Haut schimmerte grünlich. Sie hatte sich zusammengezogen und zahlreiche Falten gebildet, die wie ein Muster aus kleinen Treppen das Gesicht durchzogen.
Es war eine furchtbare Fratze mit rauen, lappigen Lippen und kleinen echsenhaften Augen. Der Mann trug ein langes Gewand, dessen Saum erst dicht über den Schuhen endete. Sein Kopf wurde durch eine Haube optisch verlängert, die Ähnlichkeit mit einer Mitra hatte. Sie besaß eine blaugrüne Farbe, in die goldene Streifen eingezogen
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